Federlinge fressen Federn
Federling-Frassspuren sind an Ausstellungen weit verbreitet. Dies beobachte ich nun schon seit Jahren. Auch in Büchern und Zeitschriften werden immer wieder Vögel mit beträchtlichen Gefiederschäden abgebildet, die von Federlingen verursacht sind, ohne den geringsten Hinweis diesbezüglich. Dabei wäre die Bekämpfung von Federlingen dringend notwendig, und nicht zuletzt sollten die Zuchtrichter ihre Chance nutzen, bei der Bewertung auf Federling-Frassschäden hinzuweisen.
Federlinge sind flügellose Insekten von ungefähr zwei Millimetern Länge. Sie leben dauernd im Gefieder von Vögeln und ernähren sich von Federn und Hautschuppen. Wissenschaftlich heissen die Federlinge Mallophagen, was so viel wie «Wollfresser» bedeutet.
Federling-Befall erkennen
Federlinge sind wirtsspezifisch. So können Buchfinken-Federlinge nicht etwa Papageien befallen. Systematiker versuchen mit dem Vergleich der Federlinge Verwandtschaftsbeziehungen der Vögel zu erkennen. Federlinge schaden den Vögeln nicht direkt, wie dies etwa die Blut saugende Rote Vogelmilbe tut. Doch können sie, wenn sie in Scharen auftreten, das Gefieder der Vögel stark beschädigen, sodass der Wärmehaushalt und die Wasserabstossung des Gefieders nicht mehr funktionstüchtig ist. Ausserdem verhalten sich von Federlingen befallene Vögel unruhig und stochern häufig im Gefieder - das Herumkrabbeln der Federlinge muss arg jucken.
Federlinge sieht man zwar von blossem Auge, aber im Gefieder der Vögel sind sie oft nicht zu erkennen, weil sie das Licht fliehen. Besser erkennbar sind die Nissen der Federlinge, die in Schaftnähe der Federn abgelegt werden. Daraus entwickeln sich innerhalb von drei bis fünf Wochen neue Federlinge. Unruhe und gehäufte Gefiederpflege kann ein Hinweis auf Federlinge sein.
Am leichtesten erkennt man das Vorhandensein von Federlingen aber an den Frassspuren. Bei Agaporniden achtet man dazu am besten auf die kleinen Flügeldecken. Sind alle Deckfedern komplett oder teilweise gezackt angefressen? Ist die Befiederung auf dem Flügel aalglatt oder sind da Lücken, die von durch Federlingfrass gekürzten Deckfedern herrühren? Bei Sperlingspapageien sind ebenfalls häufig Frassspuren auf dem Flügel zu finden. Genauer hinschauen sollte man dort, wo das Kopf- oder übrige Deckgefieder (Brust, Bauch) struppig ist. Oft wird man entdecken, dass die Federn angefressen sind und wohl deshalb nicht mehr sauber anliegen. Auch dies ein klarer Hinweis auf Federlingbefall.
Wohl am häufigsten kommen Federlinge bei südamerikanischen Sittichen vor. An den Nationalen in Brig VS und Breitenbach SO zeigten je ein Drittel der Kollektionen der Kategorie 59 Federling-Frassspuren - mehr oder weniger stark ausgeprägt. Auch an den Einzelmeisterschaften lassen sich immer südamerikanische Sittiche mit Federling-Frassspuren finden, wenn auch weniger häufig. Besonders anfällig scheinen dabei die Pyrrhura-Sittiche zu sein. Bei Rotbauchsittichen musste häufig festgestellt werden, dass im Bereich der Daumenfittiche, die blau sein sollten, schwarze Stellen vorherrschten. Sehr wahrscheinlich sind diese farblosen Stellen dadurch verursacht, dass Federlinge die farbgebende obere Struktur der Federn «abgrasen». An der COM-Weltausstellung in Ypern war ein Smaragdsittich zu sehen, dessen Deckfedern allesamt zu einem Drittel von Federlingen gekürzt waren. Gleich nebenan präsentierte sich ein Smaragdsittich in tadellosem Gefieder. Auch Loris scheinen häufig Wirte von Federlingen zu sein. Insgesamt sind Federlinge besonders häufig bei Arten zu beobachten, die dicht gedrängt in Nistkästen übernachten.
Was machen die Zuchtrichter?
Ich habe mir als Zuchtrichter an der KOA in Hettiswil BE die Freiheit genommen, für Federling-Frassschäden im Gefieder mindestens zwei Punkte abzuziehen und dazu auf der Rückseite der Bewertungskarte vermerkt: «Federling-Frassschäden».
In den vorhandenen Standards der Grosssittiche ist bezüglich Federlingfrass zwar nichts definiert: Allerdings wird dort «glatt anliegendes» und «vollständiges» Gefieder gefordert. Somit kann der Richter durchaus für struppiges Gefieder oder angefressene, unvollständige Federn Punkte abziehen. Leider scheinen die Federlinge einigen Sittichrichtern unbekannt zu sein. Nur so lässt sich erklären, dass stark von Federlingen geplagte Vögel ohne Punktabzug davonkommen - und das bei blendender Konkurrenz einer Schweizer Meisterschaft.
Zuchtrichter Heinz Hochuli will deshalb die Federlinge am nächsten Grosssittich-Repetitionskurs thematisieren. Es muss klar sein, was zu tun ist mit den von Federlingen geplagten Vögeln. Klar ist es immerhin den Kanarienrichtern: Auf Anfrage erklärte Ernst Schüpbach, dass er den Vogel streiche, wenn er Federlinge entdecke. Schliesslich sei der Züchter verantwortlich, dass seine Vögel frei sind von Parasiten. Das schulde er auch den anderen Ausstellern, deren Vögel allenfalls befallen werden könnten.
Was tun gegen Federlinge?
In freier Natur kommen Federlinge auch vor, nehmen aber kaum überhand. Die Vögel schützen sich mit eigener oder sozialer Gefiederpflege. Sie baden im Sand oder in einem Ameisenhaufen, was als «Einemsen» bezeichnet wird. Bei gesunden, nicht gestressten Vögeln werden Federlinge auch kaum in der Ziervogelhaltung zur Plage werden. Diesbezüglich scheint bei den Sittichen auch die Haltungsform eine Rolle zu spielen. Sittiche aus Freivolieren leiden viel seltener unter Federlingen als solche, die im Haus untergebracht sind, wo Sonnenlicht, Wind und Wetter fehlen. Bei Prachtfinken scheint es indes umgekehrt zu sein: So berichtet Bielfeld, dass Federlinge fast ausschliesslich bei in Aussenvolieren gehaltenen Prachtfinken vorkommen. Er vermutet, dass die Spatzen Federlinge auf die Voliereninsassen übertragen.
Mehrere Autoren empfehlen zur Federling-Bekämpfung das kurzfristige und mehrmalige Aufhängen von Insektenstrips, die aber der Raumgrösse entsprechen sollen. Doch Insektenstrips sind nicht ungefährlich, sie können Jungvögel im Nistkasten gefährden. Kummerfeld nennt im «Kompendium der Ziervogelkrankheiten» die gezielte Behandlung durch Einpudern des Gefieders mit Pyrethoriden, Karbamaten oder anderen vogelverträglichen Kontaktinsektiziden. Eine solche Behandlung sollte aber dringend von einem Tierarzt begleitet sein.
Text und Bilder: Franziskus Graber
Tierwelt, Nr. 12, 2002