Die Bedeutung des Käfigs für das Wohlbefinden
Für viele Vögel ist der Vogelkäfig das ständige Zuhause, in dem sie ein Leben lang gefangen gehalten werden und dem Menschen ausgeliefert sind. FürVögel mit Freiflug, den heutzutage trotz aller Risiken viele Heimvögel geniessen, ist der Käfig vor allem sicherer Rückzugsort, Schlaf- und Futterplatz. Die richtige Unterbringung desVogels wird auf seine Gesundheit und auf seinWohlbefinden einen ganz entscheidenden Einfluss haben.
Bei der Durchsicht älterer Vogelbücher oder Käfigprospekte wundert man sich, welche Käfiggrösse damals als angemessen angesehen wurde. Der Käfig war oft so klein, dass der Vogel nicht einmal seine Flügel ausbreiten konnte. Heute weiss man, dass er so gross sein muss, dass der Vogel seine Flügel völlig ausbreiten kann, ohne mit den Flügelenden an das Käfiggitter zu geraten. Ausserdem sollte der Käfig so lang sein, dass kleine Vögel, wie Kanarien und Wellensittiche, beim Hüpfen von Stange zu Stange gezwungen sind, auch einige Flügelschläge zu machen. Dazu muss der Stangenabstand mindestens 40 Zentimeter betragen. Aus diesen Angaben ergeben sich je nach Grösse des unterzubringenden Vogels ganz unterschiedliche Mindestanforderungen an den Käfig.
Für Tierhandlungen gibt es in der Schweiz vom Bundesamt für Veterinärwesen zu den Mindestanforderungen schon seit langem Richtlinien. In Deutschland fordert das Tierschutzgesetz, dass derjenige, der einTier hält oder betreut, dieses auch dessen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen muss. Auch das Eidgenössische Tierschutzgesetz fordert eine angemessene Fütterung, Pflege und Unterkunft.
Diese im bundesdeutschen Gesetz sehr allgemein ausgedrückte Forderung wurde in mehreren Sachverständigen-Gutachten genauer definiert. Das Gutachten «Mindestanforderungen an die Haltung von Papageien» regelt die allgemeinen Haltungsansprüche, die Grösse von Käfigen und Schutzräumen und geht auch auf besondere Haltungsbedingungen für kranke Vögel, für Vögel im Zoofachhandel, auf den Transport und auf Ausstellungen ein. Das angekündigte Sondergutachten fürWellensittiche und Nymphensittiche ist bis heute leider nicht erschienen. Gerade für diese sehr häufig gehaltenen Sitticharten gibt es von daher noch keine Empfehlungen, sinngemäss dürften aber wohl die Richtlinien für die Papageienhaltung gelten. Ähnlich aufgebaute Gutachten gibt es auch für Kleinvögel, Straussenvögel, Greifvögel und Eulen.
Im nicht ganz unumstrittenen Gutachten «Mindestanforderungen an die Haltung von Papageien» sind folgende Mindestmasse festgelegt: Käfiggrösse bis 25 cm Körperlänge: 100350350 cm, 25 bis 40 cm: 20031003100 cm, über 40 cm: 300 31003200 cm.
Kaletas Kompendium der Ziervogelkrankheiten empfiehlt für Wellensittiche und Nymphensittiche bei paarweiser Haltung folgende Mindestmasse: 80340340 cm respektive 80350350 cm.
Sehr viel differenzierter sind die Angaben für Kleinvögel wie Lerchen, Prachtfinken, Witwen, Weber, Sperlinge. Zu den Finkenvögeln (Fringillidae) gehört auch der häufig gehaltene Kanarienvogel mit einer Gesamtlänge von etwa 15 cm. Bis 15 cm Körperlänge werden 80340340 cm als Mindestmass empfohlen, bis 20 cm Körperlänge 120350350 cm.
Die angegebene Käfiggrösse gilt auch für Vögel mit Freiflug. Im Zweifelsfall sollte man den grösseren Käfig nehmen, denn Käfigausstattungen wie Stangen, Spiegel und anderes Spielzeug engen den verfügbaren Raum ein. Sehr viele im Handel angebotene Käfige erfüllen diese Forderungen nicht. Sie sind oft zu kurz, häufig unter 60 cm lang, und auch zu schmal. Zwischen den Sitzstangen sollten bei Kanarien- und Wellensittichkäfigen mindestens 40 cm Abstand sein, damit die Vögel beim Hüpfen von Stange zu Stange auch ihre Flügel zu Hilfe nehmen müssen. Die Sitzstange muss ausserdem mindestens 10 cm vom Käfigende angebracht werden, damit der Schwanz nicht beschädigt wird. Jeder wirkliche Vogelfreund wird seinem Tier sicherlich gerne einen möglichst komfortablen Käfig anbieten wollen, der Grösse sind aber aus ästhetischen und räumlichen Gründen manchmal Grenzen gesetzt. Die genannten Masse sollten aber nicht unterschritten werden.
Die Gitterstäbe sollten an der langen Seite senkrecht verlaufen, damit die Schwungfedern beim Fliegen nicht beschädigt werden. Zumindest für Wellensittiche emp- fiehlt sich ein Käfig mit quer angebrachten Gitterstäben am schmalen Ende, sodass Krummschnäbel dort ihrem Klettertrieb nachgehen können. Es versteht sich, dass der Durchmesser der Gitterstäbe dem Zerstörungseifer des Vogels widerstehen muss. Bei Kanarienvögeln reicht da 1 mm, bei Wellensittichen 1,5 mm, bei grösseren Papageien 2 bis 5 mm. Auch der Abstand zwischen den Gitterstäben muss so gewählt werden, dass die Vögel sich nicht einklemmen können. Nach Kaleta bedeutet das 15 mm für Kanarien, 19 mm für Wellen- und Nymphensittiche, 25 mm für Graupapageien und für Blaustirnamazonen.Geeignetes KäfigmaterialBei der Form sollte man sich im Allgemeinen für einen rechteckigen Käfig entscheiden. Für Klettervögel ist die Höhe dabei wichtiger als die Länge. Rundkäfige sind zwar optisch oft gefälliger, sie werden von vielen Papageienhaltern und Tierärzten aber als Tierquälerei abgelehnt, denn sie sollen mit der so genannten Drehkrankheit in Zusammenhang stehen. Wer trotzdem auf einem Rundkäfig besteht, sollte zumindest darauf achten, dass die Anordnung der Stangen und der Stellplatz den Tieren eine Orientierung ermöglichen und die geforderten Käfigmindestmasse erfüllt werden. Wer von uns würde wohl gerne in einem runden Raum sitzen, schlafen oder arbeiten, der nicht zumindest durch Möbelstücke so gegliedert ist, dass man sich in ihm orientieren kann.Auch beim verwendeten Käfigmaterial sind einige Punkte zu beachten. Als Material hat sich verchromtes Eisen bewährt. Es ist nicht giftig, sehr korrosionsbeständig und hat glatte Oberflächen, die sich leicht reinigen und desinfizieren lassen. Gegen verzinktes Material bestehen Bedenken, denn beim Beknabbern der Gitterstäbe besteht die Gefahr einer Zinkvergiftung. Bei Kleinvögeln hat sich mit Plastik beschichtetes Metall bewährt, grössere Papageienvögel dürfen in solchen Käfigen aber nicht untergebracht werden, denn sie würden das Plastikmaterial abknabbern und verschlucken. Bei Käfigen aus Kupfer und Messing wird oft kritisiert, dass die Farbe vom Vogel ablenkt und sich im Lauf der Zeit giftiger Grünspan (Kupfersulfat) bilden kann.Holzkäfige sind vor allem in tropischen Ländern weit verbreitet, weil zumeist einheimisches Holz verarbeitet wird. Für Papageien mit ihren scharfen Schnäbeln sind sie völlig ungeeignet, sie wären bald zerstört. Auch bei uns haben sie sich nicht durchgesetzt, denn die Reinigung von Holz, insbesondere der hölzernen Bodenplatte, ist schwierig.Freiflug gewährenFreiflug im geschlossenen Raum erhöht die Lebensqualität desVogels, schützt vor Fettsucht und kommt dem Erkundungsbedürfnis gerade des Papageienvogels und des Wellensittichs entgegen. Dabei müssen aber eine Reihe von Gefahrenpunkten bedacht werden. Die Türen zur Küche und zum Bad müssen geschlossen sein, damit die Vögel sich nicht verbrennen oder im Wasser ertrinken können. Weitere Gefahren sind Ritzen hinter Möbeln und Büchern, leere oder gefüllte Gefässe, Kabel, Heizgeräte, Schubladen, Türritzen, grosse Fensterscheiben, giftige Pflanzen, Tabak und Alkohol. Zigaretten oder Zigarren werden vom Papageienvogel gerne zerrupft, an alkoholischen Getränken wird gelegentlich genascht. Das kann zu chronischen Leberschäden führen. Mit der Beschädigung von Möbeln, Gardinen, Lampen und Tapeten durch den Papageienschnabel muss man sich abfinden. Wird dabei ein Kabel durchgebissen, kann das für den Vogel tödlich enden.Gefüttert werden sollte nur im Käfig, damit der Vogel freiwillig dorthin zurückkehrt. Eine Stange vor dem Käfig erleichtert die Rückkehr. Jagen oder Einfangen des Vogels sollte vermieden werden.Den Käfig sinnvoll ausstattenDie Sitzstangen sind für Sprung und Flug, zur Fussgymnastik, Krallenpflege, zum Schnabelwetzen und Schlafen von Bedeutung. Sie sollen einen ungleichmässigen Durchmesser haben, damit der Vogelfuss sich unterschiedlichen Grössenverhältnissen anpassen muss und Schwielenbildung am Ballen vermieden wird. Dazu eignen sich besonders Naturäste oder Sitzstangen mit gewollt wechselndem Durchmesser aus Holz. Der Durchmesser der Naturäste muss derVogelgrösse angepasst sein und die Äste dürfen nicht mit Kot von Wildvögeln verschmutzt sein, denn er könnte Krankheitserreger enthalten. Gründliches Abspülen mit Leitungswasser und Abkratzen mit einer Bürste ist auf jeden Fall empfehlenswert. Die Rinde soll aber nicht entfernt werden, sie wird gerne angeknabbert und beschäftigt denVogel. Geeignet sind vor allem Äste von ungespritzten Obstbäumen, von Laubbäumen, Haselnuss und Holunder, nicht aber die von Nadelbäumen und Birken. Die Äste sind nach zwei bis drei Monaten oder früher auszuwechseln, spätestens wenn sie abgenagt oder abgenutzt sind.Besonderer hygienischer Beachtung bedürfen das Bodenblech und die Bodeneinstreu. Das Blech wird mit unbedrucktem Papier ausgelegt, damit feuchter Sand nicht festklebt. Plastik, Aluminiumfolie oder bedrucktes Papier sind ungeeignet, da sie angeknabbert und Teile davon vergeschluckt werden könnten. Darüber kommt eine nicht zu dünne Schicht Vogelsand, die beim Landen des Vogels auf dem Boden die Belastung auf Füsse und Gelenke abfedern soll. Im Vogelsand befinden sich kleine Steinchen und andere Mineralien. Für Fleisch fressende Vogelarten sind sie ohne Bedeutung, Körner fressende Vögel hingegen brauchen diesen Grit zum Zerkleinern des Futters im Muskelmagen, denn Vögel haben ja keine Zähne. Wenn man diesen Grit nicht über den Sand anbietet, muss man ihn in einem gesonderten Gefäss zur Verfügung stellen. Im Zoohandel gibt es zahlreiche derartige Präparate.Besondere Bodengitter zwischen Bodenplatte und Stangen, die eine Berührung der Vögel mit ihrem eigenen Kot verhindern sollen, sind abzulehnen, denn damit entfällt die abfedernde Wirkung des Sandes, ausserdem halten sich viele Papageien- und Sitticharten gerne auf dem Boden auf und nehmen dort auch den Grit zu sich. Aus hygienischer Sicht reicht es, wenn Kotpartikel regelmässig entfernt werden. Sandpapierähnliche Bodenblecheinlagen (Vogelsandteppich), die zur Zehenpflege angeboten werden, sind ungeeignet, denn sie bieten keine Federung beim Landen und können die Fusshaut verletzen.Seitliche Glasplatten gegen eine Verschmutzung des Zimmers mit Käfiginhalt sollten bei Papageienkäfigen fest verklemmt sein. Andernfalls dienen sie dem Papagei als Zeitvertreib, indem er sie immer wieder mit dem Schnabel hochhebt und geräuschvoll fallen lässt.Für Futtertröge nimmt man am besten Porzellan, Steingut oder sehr hartes Plastik, Materialien, die dem Zerstörungstrieb grösserer Vögel mit Sicherheit widerstehen können. Offene Wassergefässe sollten nach oben hin abgedeckt sein, damit sie nicht so leicht verschmutzen. Die Verunreinigung des Trinkwassers mit am Schnabel haftenden Futterresten kann allerdings nicht verhindert werden, weshalb das Trinkwasser täglich zweimal gewechselt werden sollte. Futterreste vom Schnabel imTrinkwasser begünstigen Bakterien- und Algenwachstum im Wasser, was zu Durchfällen führen kann. Trinkröhren haben aus hygienischer Sicht gewisse Vorteile, sie sind aber überwiegend aus Kunststoff und veralgen leicht.Baden ist für dasWohlbefinden und die Gefiederpflege der meisten Vögel sehr wichtig. Badehäuschen, die aussen angebracht sind, verschmutzen den Käfig nicht so stark wie Badeschalen auf dem Boden, beliebter sind aber die Badeschalen. Papageien lassen sich auch gerne mehrmals pro Woche lauwarm abduschen oder geniessen den Regen in der Aussenvoliere. Dieses Duschen beugt auch dem Federrupfen vor. Zusätze zum Badewasser sind im Allgemeinen überflüssig und auch nicht ungefährlich, da das Badewasser auch getrunken wird. Wenn wegen festgestellter Aussenparasiten dem Badewasser ein Parasitenmittel zugegeben werden muss, ist es sofort nach dem Baden zu entfernen. Dr. Jürgen E. LohrTierwelt, Nr. 36, 2003