Oberschnabelverkrümmungen bei Aras
Die Freude ist gross, wenn endlich ein junger Hyazinthara im Inkubator geschlüpft ist. Sie wird aber schon nach wenigen Tagen beim Anblick des krumm wachsenden Oberschnabels getrübt. Doch es gibt Lösungen für dieses Problem.
Gerade grosse Aras wie Hyazintharas (Anodorhynchus hyacinthinus) und Dunkelrote Aras (Ara chloroptera) haben wuchtige Oberschnäbel. Manchmal stellt sich hier das Problem der Oberschnabelverkrümmung. Dass es aber nicht nur ein Problem unter Menschenobhut ist, konnte ich im trockenen brasilianischen Nordosten im Bundesstaat Piaui beobachten. Die Sonne brannte unerbittlich auf den Cerrado (sprich Cehado), den eigentümlichen Trockenwald, der weite Teile Brasiliens bedeckt, sodass mein Schatten mir um die Beine schlich wie eine Katze. Wir waren schon eine Stunde zu Fuss unterwegs, durchschritten ein Bachbett mit leuchtend rotem Sand, bewunderten einen einzeln wachsenden Kaktus und staunten über die borkige Rinde der Bäume. Da krochen wir endlich in einen aus trockenen Palmenwedeln gefertigten, etwas in das Erdreich eingelassenen Tunnel. Am Ende fanden wir uns in einer gemütlichen, geräumigen Hütte wieder. Lourival Lime spähte durch das Guckloch und winkte mich stumm herbei. Was sich mir hier bot, verschlug mir die Sprache und trieb mir die Tränen in die Augen. Hyazintharas, soweit mein Auge reichte, unter gleissender brasilianischer Sonne beim Verspeisen der für sie ausgelegten Palmnüsse der Palmengattungen Syagrus und Attalea. Ehemalige Fänger schützen heute in der Nähe des Dorfes Sao Goncalo do Gurgueia die Hyazintharas und zeigen sie Touristen, wenn sich überhaupt solche in das einsame Gebiet verirren. Die Fänger werden von der Organisation Biobrasil und vom World Parrot Trust unterstützt. Fortan war ich natürlich täglich in der Hütte und spähte auf das azurblaue Treiben. Ich versuchte, Individuen wieder zu erkennen. An guten Tagen waren gegen 60 Exemplare da.
Bei einem Hyazinthara fiel es mir aber leicht, ihn zu identifizieren. Er hatte einen deutlich krummen Oberschnabel. Das Tier war überhaupt nicht behindert, knackte Nüsse und zeigte ein Verhalten wie all die übrigen Vögel. Trotzdem war ich erstaunt, dieses Problem auch in der Wildnis anzutreffen.
Unter Menschenobhut
In unserer Volierenanlage hatten wir einmal einen Gelbbrustara (Ara ararauna), der von den Eltern aufgezogen wurde und der einen etwas krummen Oberschnabel hatte. Der Schnabel schloss sich aber problemlos, so dass dieser Schönheitsfehler für das Tier keine Behinderung war. Vom Elternpaar hatten wir insgesamt schon über 30 Jungvögel, die alle perfekt waren. Ich glaube nicht, dass sich das Problem vererbt.
Ich war auch einmal mit einem jungen Hyazinthara in einem anderen Bestand konfrontiert, dessen Oberschnabel komplett schief gewachsen war. Er wurde von den Eltern aufgezogen. Um nicht zu stören, verzichtete der Züchter auf Nestkontrollen. So bemerkte er den Fehler zu spät, nämlich erst, als der Jungara schon fast zwölf Wochen alt war und der Schnabel bereits verhärtet war. Für dieses Tier kam jede Hilfe zu spät. Es hätte sich nicht selber ernähren können und musste deshalb euthanasiert werden. Das war der schlimmste Fall einer Oberschnabelverkrümmung, den ich jemals sah. Interessanterweise handelte es sich aber auch hier um eine Elternaufzucht. Weitaus häufiger treten Oberschnabelverkrümmungen in der Handaufzucht von grossen Aras auf.
Gründe für Verkrümmungen
Allgemein wird bei Handaufzuch-ten dem Menschen der Fehler zugeschrieben. In der Tat kann eine einseitige, fehlerhafte Technik bei der Handfütterung zu Oberschnabelverkrümmungen führen. Weiter ist auch der Gebrauch von Kropfsonden der Oberschnabelstellung nicht zuträglich. In etlichen Fällen konnte das Problem bekämpft werden, indem die Handfütterungen fach-gerecht, das heisst von vorne mit der Spritze in den Schnabel, ausgeführt wurden. Was ist nun aber mit den Jungen, deren Oberschnabel bereits ab dem Alter von fünf Tagen eine Tendenz zur Verkrümmung hat? Immer wieder kam es vor, dass gewisse Jungvögel in diesem frühen Stadium Symptome zeigten, während die Oberschnäbel anderer grosser Aras unter der gleichen Pflege problemlos und fehlerfrei wuchsen. Als Ursache für Oberschnabelverkrümmungen kann auch eine falsche Lage des Embryos im Ei verantwortlich sein. Dem ist sicher so, denn ich stellte bei einem im Ei kurz vor dem Schlupf abgestorbenen Embryo fest, dass das Köpfchen stark gegen die Eiwand drückte und der Oberschnabel bereits verkrümmt war. Eine weitere Ursache kann die Verschiebung der Wachstumszentren sein.
Lösungen
An vielen Stellen in der Fachliteratur wird vermerkt, dass bei jungen Tieren, im Alter von wenigen Tagen, bereits mit der Massage des Oberschnabels begonnen werden sollte. Der Oberschnabel muss sanft, aber bestimmt bei jeder Handfütterung in die korrekte Position gebogen werden. Ich hatte damit aber kaum Erfolg. Die Jungen reagieren abwehrend auf das ewige Drücken des Oberschnabels. Es scheint sie zu stören. Grundsätzlich können indessen Oberschnabelverkrümmungen auch auf einen Mangel an Phosphor zurückzuführen sein, obwohl in den kommerziellen Handaufzuchtfuttermitteln bereits Phosphor vorhanden ist. Ich gab jeweils mit einem Salzstreuer noch etwas Kanavit, ein phosphorhaltiges Mineralprodukt, in das Handaufzuchtfutter. Trotz dieser Massnahme trat das Problem aber manchmal wieder auf.
Eine Behandlungsmethode, die Dr. Andrew Greenwood bei einem jungen Hyazinthara im Paradise Park in Hayle (Cornwall, Grossbritannien) durchführte, war mir nicht sympathisch. Dem jungen Hyazinthara wurde im Alter von wenigen Wochen ein Gestell auf den Kopf montiert. Dazu musste in die Kopfknochen gebohrt werden. An diesem Gestell konnten Gummibänder befestigt werden, die am Oberschnabel eingehängt wurden und ihn so fortwährend in die richtige Richtung zogen. Ich hätte gerne eine humanere Methode gehabt.
Unser Tierarzt, Willi Häfeli, Ostermundigen BE, fertigte dem ungefähr 16 Tage alten, jungen Hyazinthara, den ich ihm präsentierte, einen Unterschnabelaufsatz an. Er verwendete den Forbo-Universalkitt 2K, der normalerweise im Autozubehör zu finden und in die Giftklasse 5S einzureihen ist. Der Kitt trocknete sehr schnell. Der Unterschnabelaufsatz bewirkte, dass der Oberschnabel dadurch in die richtige Position rutschte. Natürlich störte den Jungvogel der zusätzliche Wulst am Unterschnabel. Er versuchte immer wieder, das verhärtete Material mit der Zunge wegzustossen. So dauerte es nur zwei Tage, bis der Aufsatz abfiel. Das machte aber nichts, im Gegenteil. Ich setzte ihn jeweils wieder auf und befestigte ihn mit Klebeband am Unterschnabel. Nach vier Stunden, wenn ich wieder von Hand fütterte, entfernte ich den Aufsatz für die nächsten vier Stunden wieder. So musste das Tier den störenden Fremdkörper nicht dauernd tragen. Die Wirkung war verblüffend. Bereits nach zwei Wochen war der Oberschnabel wieder gerade, sodass ich es unterlassen konnte, den Aufsatz immer wieder anzubringen. Bei einem vorgängigen Jungvogel war ich zu wenig konsequent und befestigte den abgefallenen Aufsatz nur noch selten. Die Korrektur des Oberschnabels gelang so nur teilweise. Es ist nicht empfehlenswert, selber am Vogel herumzupröbeln. Besser ist, wenn ein auf Papageien spezialisierter Tierarzt aufgesucht wird, der sich des Problems annimmt. Gut eignen sich als Unterschnabelaufsätze so genannte Acrylanbindungen.
Lars Lepperhoff
Tierwelt, Nr. 42, 2005