Warum sind viele Papageien bedroht?
Diese Frage begründet sich schon durch die Tatsache, dass keine andere Ordnung der Vögel so viele bedrohte und gefährdete Arten kennt. Wenn sich Christian Maierhofer in diesem Beitrag gezielt den Papageien widmet, soll das aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch viele andere Vogelarten bedroht sind - zu einem grossen Teil aus den gleichen Gründen.
Die gegenwärtige Bedrohung der Papageien resultiert aus einem bitteren Paradoxon: der besonderen menschlichen Beziehung zu den Papageien. Die Faszination, die Papageien auf den Menschen ausüben, reicht nachweislich weit über 2000 Jahre zurück. Schon im Römischen Reich wurden Papageien gehalten, und bis heute ist ihre Popularität ungebrochen. Die Gründe, warum gerade Papageien eine solche Anziehungskraft auf den Menschen ausüben, sind vielfältig. Zum einen ist es ihre Ästhetik, die sie zu wahren Juwelen macht. Im Besonderen ist es jedoch ihr einzigartiges Wesen, das sie über andere Vögel triumphieren lässt. Ihr hoher Grad an Intelligenz, ihre Anhänglichkeit und nicht zuletzt ihre hohe Lernfähigkeit und ihre Sprachbegabung macht sie seit jeher zu echten Freunden des Menschen. Gerade diese Exklusivität wurde ihnen zum Verhängnis.
Wir, die wir diese Vögel lieben, haben massgeblich zu deren heutiger Bedrohung beigetragen. Viele Arten stehen am Rande des Aussterbens. So bitter es klingen mag, aber die Papageien wurden Opfer ihres einzigartigen Wesens, das dem des Menschen ähnelt.
Nichtsdestotrotz sollten wir die Populationsschwankungen betrachten, die es bei allen Tierarten schon immer gegeben hat. Ist die Fortpflanzungsrate hoch und die Sterberate niedrig, kommt es zu einem Anwachsen des Bestandes (Population). Ist die Sterberate höher als die Fortpflanzungsrate nimmt die Population ab. Aber auch Zu- und Abwanderung können die Populationsgrösse beeinflussen. Diese Vorgänge bezeichnet man als Populationsdynamik. Da in der Natur alles mit allem zusammenhängt, können bereits geringe Veränderungen der Umwelt zu Bestandesschwankungen einer Art führen. In einem intakten Ökosystem ist dies ein natürlicher Prozess, und Bestandeseinbussen werden in den Folgegenerationen wieder ausgeglichen. Erst durch die massiven Eingriffe des Menschen in die Umwelt kommt es bei vielen Arten zu anhaltenden Bestandesrückgängen und zum Aussterben der Arten.
Warum aber ist die Populationsdynamik der Papageien aus dem Gleichgewicht geraten? An der drastischen Bestandesminderung der letzten Jahrzehnte scheinen folgende Faktoren beteiligt zu sein: Wildtierhandel, Lebensraumzerstörung, Faunenverfälschung, Jagd als Sport und zum Nahrungserwerb, Krankheiten und klimatische Einflüsse.
Dank ihrer Anpassungsfähigkeit kommen viele Papageienarten mit nur einem dieser Bedrohungsfaktoren gut zurecht. An den drastischen Populationseinbrüchen sind meist mehrere Faktoren beteiligt. Bis zu vier Bedrohungsfaktoren konnten bei manchen Arten festgestellt werden, was von keiner Spezies, sei sie auch noch so anpassungsfähig, über längere Zeit verkraftet werden kann. Nach Schätzungen von Bird Life International sind 93 von den insgesamt 353 Papageienarten der Erde vom Aussterben bedroht, das sind 27 Prozent. Eine Zahl, die von keiner anderen Familie der Vögel übertroffen wird. Seit Anfang des 17. Jahrhunderts sind mindestens 18 Papageienarten ausgestorben.
Als Hauptursache für diesen enormen Bedrohungsstatus lässt sich die Kombination von Handel und Lebensraumzerstörung verantwortlich machen. Da viele Arten nur ein äusserst kleines Verbreitungsgebiet besitzen, verstärkt sich der Einfluss dieser Faktoren noch. Nicht weniger als 127 aller Papageienarten (36 Prozent) bewohnen ein Gebiet unter 50 000 Quadratkilometer (Schweiz = 40 000 km2) und werden deshalb als Endemiten bezeichnet. Aber auch die anderen genannten Faktoren stellen für die meisten Arten eine zusätzliche Belastung dar.
Es bleibt zu hoffen, dass unsere gegenwärtigen Anstrengungen und Bemühungen zur Erhaltung der Papageien nicht zu spät kommen. Bei manchen Arten mag sich ein Aussterben zwar tatsächlich nicht mehr verhindern lassen, dennoch bin ich optimistisch. Das Gewissen hat uns wachgerüttelt. Schmerzlich ist vielen von uns bewusst geworden, dass gerade wir Züchter und Halter der Industrienationen massgeblich an der Ausrottung der Papageien beteiligt sind. Lasst uns das Beste daraus machen, damit uns diese wundervollen Geschöpfe auch in Zukunft erhalten bleiben.
Wildtierhandel
Als wohl bedeutendster Bedrohungsfaktor gilt neben der Zerstörung des Lebensraumes der Wildtierhandel. Bei den Papageien hat dieser Faktor ein Ausmass angenommen, das viele Arten binnen kurzer Zeit an den Rand des Aussterbens brachte. Exportzahlen von schwindel erregender Höhe sprechen eine deutliche Sprache. So wurden 1983 allein in die USA 17 000 Blaustirnamazonen (Amazona aestiva) importiert. Diese extrem hohe Wildtierentnahme liess selbst eine ansonsten häufige Art selten werden und in Teilen ihres Verbreitungsgebietes ganz verschwinden.
Von den Talaud-Inseln wurden binnen weniger Jahre mehrere Tausend Diademloris (Eos histrio) weggeschafft. 1996 waren es schätzungsweise 1200 Vögel (Riley 1998). Diese Spezies war so gefragt, dass sogar noch neue Fänger angelernt werden mussten, um den Bedarf an Diademloris zu decken. Die Folge war das beinahe restlose Verschwinden.
In der Tat lässt sich mit Papageien ein höchst lukratives Geschäft machen. Offiziell wurden zwischen 1982 und 1988 weltweit über eine halbe Million Papageien gehandelt. Jene, die illegal die Länder wechselten sind in dieser Zahl nicht enthalten, über die Dunkelziffern kann man nur spekulieren. Es wird geschätzt, dass die Papageienfänger allein in den neotropischen Ländern zwischen 1982 und 1986 33 Millionen US-Dollar und die Mittelsmänner 114 Millionen US-Dollar verdienten. Der gesamte Marktwert der in dieser Zeit gehandelten Papageien erreichte ein Volumen von rund 1,6 Milliarden US-Dollar. Ein Beispiel ist Guyana, wo fast alle Vögel, die exportiert werden, Papageien sind. 1991 waren in Guyana bei 16 Exporteuren rund 8000 Fänger und Händler direkt beschäftigt, man schätzt jedoch, dass insgesamt rund 54 000 Menschen vom Handel mit diesen Papageien finanziell profitierten, das sind 5 Prozent der Einwohner Guyanas.
Das wohl am besten dokumentierte Opfer des Papageienhandels ist der afrikanische Graupapagei. Er zählt zu den intelligentesten und begabtesten Sprechern, was ihn für die Heimtierhaltung besonders begehrt macht. Zwischen 1982 und 1989 war der Graupapagei neben dem Pfirsichköpfchen der am häufigsten gehandelte Papagei, mit einer durchschnittlichen jährlichen Exportrate von 47 300 Vögeln. Diese hohe Wildtierentnahme führte zu einem Niedergang der Populationen. In Liberia, wo der Graupapagei bis in die Achtzigerjahre häufig vorkam, ist er heute zur Rarität geworden. Ähnlich verhält es sich in allen anderen Ländern seines Verbreitungsgebietes. Die permanente Ausbeutung reduzierte die Art in wenigen Jahren von mehreren Millionen auf wenige Tausend Tiere.
Zum Handel hinzu kommen die schweren Verluste, die oft durch brutale Fangmethoden und während der langen Reise nach Übersee entstehen. Nur ein Bruchteil der gefangenen Vögel erreicht die Bestimmungsländer lebend. Viele sterben bereits an Schockzuständen kurz nach dem Fang. Der Grossteil des verbleibenden Rests verendet wegen Stress und Infektionen während des Transportes oder kurz nach ihrer Ankunft. Gerade auch diese Problematik möchte ich ins Bewusstsein rufen, da sie allzu oft verschwiegen oder vergessen wird.
Verbreitete Fangmethoden
Beliebte Fangmethoden sollen hier kurz erläutert werden.
· Das Ausnehmen der Nester: In über 90 Prozent der Fälle wird die Bruthöhle aufgebrochen und ist somit auch für spätere Brutperioden wertlos. Hinzu kommt, dass das permanente Entnehmen der Jungvögel zu einer überalterten Restpopulation führt.
· Das Krankschiessen: Eine recht barbarische Methode, bei der versucht wird, ein Tier nur so weit zu verletzen, dass es flugunfähig wird. Nur schätzungsweise fünf von hundert Papageien überleben dies. Der Rest wird in den meisten Fällen von der Familie des Fängers verspeist.
· Das Fangen mit Schlingen: Durch einen Lockvogel, in dessen Umgebung Nylonschlingen angebracht sind, werden Artgenossen angezogen. Durch das Verfangen in den Schlingen kann es zu Beinverletzungen kommen. Eine Schonzeit oder eine Rücksichtnahme auf die Brutzeit gibt es dabei nicht. Allein die Nachfrage bestimmt die Fangintensität. Wird nur ein Paarpartner eingefangen, ist es dem zweiten nicht mehr möglich das Gelege oder gar Nestlinge zu versorgen. Wie lange es dauert, bis ein verwitweter Papagei in freier Wildbahn wieder einen Partner findet, ist ungewiss.
· Das Fangen mit der Leimrute: Abgesehen vom Fangwerkzeug ist diese Methode in der Auswirkung auf die Population gleich dem Fangen mit Schlingen.
· Das Fangen mit Netzen: Über einen bekannten Schlafbaum werden Nylonnetze gespannt und die Vögel bei Dunkelheit aufgescheucht. Für die Fänger eine sehr effektive Methode. Alles, was sich im Netz verfängt, ob Alt- oder Jungvogel, wird mitgenommen. Die überaus gesellige Lebensweise vieler Papageienarten ausserhalb der Brutzeit kommt den Fängern hier sehr entgegen. Diese Methode vermag eine Art gezielt und flächendeckend zu dezimieren.
In Anbetracht dieser Fangmethoden wäre es aber keinesfalls gerechtfertigt, mit den Fingern auf die Fänger zu zeigen. Im Gegenteil, sie sind viel mehr Opfer als Täter. Auch hat Vogelfang und -haltung in den Ursprungsländern eine lange Tradition, wie etwa in Indonesien. Solange die Tiere jedoch nur auf den lokalen Märkten verkauft wurden, hielten sich die Freilandentnahmen in Grenzen. Doch dabei blieb es leider nicht. Mit dem Export in die Industriestaaten nahmen die Bestandszahlen kontinuierlich ab. 1981 verliessen 3000 Molukkenkakadus ihre Heimat. Fünf Jahre später waren es 7000. Allein die Nachfrage bestimmt die Fangzahlen. So schien man 1981 für den Goffini-Kakadu in Übersee noch nicht sonderlich viele Abnehmer zu finden, 1700 Tiere wurden ausgeführt. Einige Jahre später war die Nachfrage schon erheblich grösser, 1986 waren es bereits 8600. Diese Zahlen sind amtlich und erfassen nur jene Papageien, die lebend ausgeführt wurden.
Ähnlich erging es dem Weisshauben-, dem Orangehauben- und dem Gelbwangenkakadu, von denen heute bereits mehr in Gefangenschaft als im Freiland leben. Nach nur wenigen Jahren wurde Indonesien vom Inselstaat mit den meisten endemischen Vogelarten zum Inselstaat mit den meisten bedrohten Vogelarten. Die wahren Täter sind somit nicht die Vogelfänger in den Ursprungsländern, sondern die Verbraucher der Industrienationen, namentlich Heimtierhalter, Züchter und bis vor wenigen Jahren waren es auch noch die Zoos.
Die stetige Zunahme des Handels mit exotischen Tieren und Pflanzen Ende der Sechzigerjahre bereitete einigen Staaten Sorgen. Man erstellte eine Liste mit allen Tieren und Pflanzen, die besonders umfangreich gehandelt wurden. Schliesslich kam es am 3. März 1973 von den Gründerstaaten zur Unterzeichnung des Washingtoner Artenschutzabkommens (CITES). Ziel dieser Konvention ist der Schutz meist weltweit durch Handelsinteressen vom Aussterben bedrohter oder in wesentlichen Teilen ihres Areals gefährdeter Arten. 1983 gehörten 77 Vertragsstaaten dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen an, heute sind es bereits weit über 140.
Die Artenlisten oder Anhänge sind das eigentliche Kernstück des Übereinkommens, die alle zwei Jahre auf den Vertragsstaatenkonferenzen aktualisiert werden. Im Anhang A des Abkommens werden jene Arten geführt, die direkt vom Aussterben bedroht sind und deren Handel das Überleben der Art in Frage stellen würde. Gegenwärtig werden in Anhang A über 50 Papageienarten aufgelistet, die einem strengen Handelsverbot unterliegen. Alle übrigen Papageienarten, mit Ausnahme des Nymphen- und des Wellensittichs werden seit 1983 in Anhang B geführt. Sie dürfen nur mit einer Ausfuhrgenehmigung der Herkunftsländer eingeführt werden. Von keiner anderen Vogelordnung werden so viele Arten auf den ersten beiden Anhängen geführt.
Der wohl bekannteste Papageienvertreter aus dieser Liste ist der Spixara (Cyanopsitta spixii), dessen Bestand nie besonders hoch gewesen sein dürfte (Roth 1988). Gerade deshalb liefert er ein gutes Beispiel für den Teufelskreis, denn je seltener eine Art im Freiland ist, desto begehrter wird sie für den Wildtierhandel. Der Wissenschaft ist der Spixara seit 1824 bekannt, und obwohl er seit 1967 von der brasilianischen Regierung streng geschützt ist, liess sich sein Niedergang nicht verhindern. Für die exorbitanten Preise, die für Individuen seiner Art gezahlt wurden, taten Fänger und Händler alles - und besiegelten so sein Schicksal. Er galt bereits als ausgestorben, als 1985 im Norden von Bahia eine Gruppe von 5 Vögeln wieder entdeckt wurde, darunter auch zwei Paare. 1988 waren auch diese 5 Vögel als Opfer des illegalen Wildtierhandels verschwunden.
Aufregung herrschte noch einmal, als 1990 ein einzelner Vogel entdeckt wurde. Eine Sensationsmeldung, die um die Welt ging. Verzweifelt versuchte man alles zu tun, um dem letzten Überlebenden seiner Art zu helfen. Nachdem man 1995 festgestellt hatte, dass es sich um ein Männchen handelte, liess man von den letzten 30 Vögeln aus Gefangenschaft ein Weibchen frei, in der Hoffnung, dass es sich dem Männchen anschliessen würde. In seiner Einsamkeit hatte sich der wild lebende Spixara aber bereits mit einem Maracana verpaart und die Annäherungsversuche des Volierenvogels schlugen fehl. Nur wenige Monate später war das Weibchen spurlos verschwunden. Alle Bemühungen kamen zu spät, um das traurige Schicksal doch noch aufzuhalten. Man konnte nur noch zusehen, wie auch der letzte noch frei lebende Spixara verschwand.
Ein weiteres Opfer seiner Schönheit ist der Hyazinthara (Anodorhynchus hyazinthinus). Bei einem Freilandbestand von rund 5000 Tieren hat das CTES-Abkommen gerade noch rechtzeitig die Notbremse gezogen. Dass die ursprüngliche Population um ein Vielfaches höher war, ist unbestritten, die Differenz wird allein dem Wildtierhandel angerechnet. Anfang der Achtzigerjahre hatte ein süddeutscher Tierhändler 300 Hyazintharas in seiner Quarantänestation (Graber, pers. Mitteilung 2000). Um die hohe Mortalität der aus den Nestern entnommenen Jungvögel auszuschalten, konzentrierten sich die Fänger gezielt auf das Fangen von Altvögeln. Nun war es nur noch eine Frage der Zeit, bis diese Papageien den heutigen Tiefpunkt erreichten.
Ähnlich erging es dem Rotohrara (Ara rubrogenys), dem Blaukehlara (Ara glaucogularis), der Tucuman-Amazone (Amazona tucumana) und derTaubenhalsamazone (Amazona vinacea).
Lebensraumzerstörung
Die fortschreitende Zerstörung der tropischen und subtropischen Regenwälder, der stetige Bedarf an Weide- und Anbauflächen raubt vielen Papageienarten ihren Lebensraum oder verdrängt sie in immer kargere und lebensfeindlichere Gebiete, die nur mehr einer kleinen Population eine Lebensgrundlage bieten können. Kleine oder isolierte Populationen mit vermindertem Genaustausch sind in ihrer genetischen Variabilität stark eingeschränkt, sodass es in der Folge zu Mutationserscheinungen kommt. Von einzelnen Individuen der kleinen, voneinander getrennten Bestände des Lears-Ara ist bekannt, dass es zu Verformungen und Farbveränderungen der Schwanzfedern gekommen ist.
Ein weiteres Problem stellt die Abnahme der Nahrungsbäume dar. Nur noch wenige Palmenhaine mit Licuripalmen sind für den Lears-Ara übrig geblieben. Die dadurch gesteigerte Zeitinvestition in die Nahrungsaufnahme hat eine Abnahme der Vermehrungsrate zur Folge und die Populationen altern.
Ähnlich mag sich auch das Aussterben des Meerblauen Aras (Anodorhynchus glaucus) vollzogen haben. Nach Tony Pittman war auch dieser Blauara stark von den Früchten einer Palmenart abhängig. Mit dem Verschwinden der Yatay-Palmen verschwand auch der Meerblaue Ara. Pittmans Recherchen haben ergeben, dass einzelne Exemplare bis in die Dreissigerjahre des 20. Jahrhunderts überlebt hatten. Lediglich ein paar Museumsbälge zeugen noch von ihrer Existenz.
Die Prachtamazone (Amazona pretrei) bevorzugt als Lebensraum Araukarienwälder, die in manchen Teilen ihres Verbreitungsgebietes verschwunden sind. Mit ihnen sind auch die Amazonen verschwunden, sie sind vermutlich heute nur noch im brasilianischen Teil ihres Verbreitungsgebietes anzutreffen (Varty et al. 1994). Der Bestand ist weiterhin im Abnehmen, der Schutz des Habitats hat oberste Priorität.
Der Goldbauchsittich (Neophema chrysogaster) findet zwar in seinem Brutgebiet im äussersten Südwesten von Tasmanien noch relativ unveränderten Lebensraum vor, allerdings sind die Überwinterungsgebiete auf dem Festland massiven Veränderungen ausgesetzt. Der Küstenbereich vor Melbourne, wo die Vögel nach ihrer Wanderung über die Bassstrasse Rast machen, wird zunehmend von Menschen besiedelt. Auch die Industrie breitet sich dort immer mehr aus. Die Gebiete in Südaustralien, wohin ein Teil der Tiere weiterzieht, ist von Schafherden stark überweidet. Seit Generationen werden die dortigen Riedgrasflächen von den Goldbauchsittichen aufgesucht.
Im Norden Australiens, auf der Kap-York-Halbinsel in Queensland, hat der Goldschultersittich ein Problem mit seinem Lebensraum. Die Aborigines haben ihre traditionelle Jagdmethode aufgegeben, bei der sie gegen Ende der Trockenzeit immer wieder kleine Areale abbrannten. Diese Feuer hatten zur Folge, dass junge Baumsprosse nicht hochkamen und der steppenartige Charakter der Landschaft erhalten blieb. Heute erobert der Wald diese Gebiete zurück und der Goldschultersittich verliert die samentragenden Grasflächen. Ein weiterer Faktor ist die im bewaldeten Habitat verzögerte Feinderkennung, die sich für einen kleinen Vogel, der mehrere Fressfeinde besitzt, nachteilig auswirkt.
Die Flächen der gerodeten Wälder Australiens wurden grösstenteils in Farmland (Kulturland) umgewandelt. Viele Papageien verloren ihren ursprünglichen Lebensraum, konnten sich dank ihrer hohen Lernfähigkeit aber gut in den neuen Habitaten etablieren. So war der Nasenkakadu (Cacatua tenuirostris) zur Zeit der Besiedelung Victorias in seiner Verbreitung eingeschränkt. Heute sind die meisten Wälder in dieser Region durch Getreidefelder ersetzt worden. Die Nasenkakadus fanden plötzlich ein Überangebot an Nahrung vor und konnten sich so stark vermehren, dass sie seit Jahren von den Farmern und der Regierung als Ernteschädlinge bekämpft werden.
Ähnlich verhält es sich beim Rosa- und beim Nacktaugenkakadu. Beide Kakadus waren zwar schon immer Bewohner der offenen trockenen Landschaft, aber durch die Bewässerung der semiariden Zonen schuf der Mensch überaus gute Bedingungen für die Vögel, sodass auch diese Arten als so genannte Pestbirds verfolgt werden.
Diese Beispiele sollen zeigen, dass durch die Umstrukturierung eines Habitats auch günstige Bedingungen für manche Arten entstehen können.
Insgesamt wirken sich die Veränderungen der ursprünglichen Lebensräume aber verheerend auf die Populationen aus. In Ecuador wurden bis heute 95 Prozent der Waldfläche vernichtet. Der dort verbreitete Soldatenara (Ara militaris), die Ecuador-Amazone (Amazona autumnalis lilacina) und der Gelbohrsittich (Ognorhynchus icterotis) sind Opfer dieser Verwüstung. Die enorme Geschwindigkeit, mit der diese Veränderungen stattfinden, lässt den Papageien und anderen Tierarten kaum eine Chance, sich an neue Bedingungen anzupassen.
Faunenverfälschung
Dieser Bedrohungsfaktor kann auf unterschiedliche Weise zur negativen Bestandsentwicklung beitragen. Nahrungskonkurrenten bedrohen vorwiegend die Nahrungsspezialisten. Nistplatzkonkurrenten verdrängen die angestammte Art ganz oder an qualitativ minderwertigere Nistplätze. Prädatoren (Feinde) rauben Gelege, Nachwuchs oder Altvögel.
Findet sich die eingeschleppte Tierart mit den neuen Umweltbedingungen gut zurecht, ist die ursprüngliche Fauna und Flora oft schnell massiven Veränderungen ausgesetzt. Ein gutes Beispiel dafür liefert Neuseeland. Während auf den beiden Hauptinseln viele der eingeführten Tierarten auf die grossteils endemische Flora und Fauna eine fatale Wirkung hatten, blieben einige der kleineren umliegenden Inseln davon weit gehend verschont.
Der Welt einziger flugunfähiger Papagei, der Kakapo (Strigops habroptilus), wurde durch Ratten, Hunde, Katzen, Marder und Wiesel, die mit den ersten Siedlern auf die Inseln kamen, stark dezimiert. Seine nachtaktive, verborgene Lebensweise, ohne die die extremen Populationseinbrüche sicher eher erkannt worden wären, wirkte sich zusätzlich nachteilig aus. Nur durch eine gross angelegte Übersiedlungsaktion auf feindfreie Inseln konnte der Eulenpapagei vom definitiven Aussterben bewahrt werden.
Australische Fuchskusus vernichten die Kauriwälder, auf die auch der Kaka (Nestor meridionalis) angewiesen ist. Zudem sind europäische Hausratten, die auf Grund ihrer Immigrationsweise auch als Schiffsratten bezeichnet werden, als Nestplünderer aktiv. Wiesel sind nicht nur eine Bedrohung für Gelege und Nestlinge, sondern auch für das brütende Kakaweibchen selbst. Auf Norfork Island konkurriert die dort lebende Unterart des Ziegensittichs (Cyanoramphus novaezelandia cookii) mit eingebürgerten Pennantsittichen und Staren um die besten Bruthöhlen (Hicks 1991). Die kleinen friedvollen Ziegensittiche sind in diesem Fall die grossen Verlierer. Sie sind dieser Konkurrenz nicht gewachsen und müssen sich mit den niedriger gelegenen, aber leicht für Ratten zugänglichen Nisthöhlen begnügen. Diese Faktoren verändern das Verhältnis von Reproduktions- und Mortalitätsrate derart, dass die Restpopulation im Jahre 1983 weniger als 30 Tiere umfasste.
Die Saphirloris (Vini peruviana) von den Tuamotu- und Gesellschaftsinseln werden in ihrem Bestand ebenfalls durch Schiffsratten beeinträchtigt. Auf der Bahamainsel Abaco stellten sich wildernde Katzen als Bedrohung für die Bahama-Amazone (Amazona leucocephala bahamensis) heraus. Diese Vögel brüten in Erdlöchern und halten sich verständlicherweise während der Brutzeit vermehrt am Boden auf, wo sie eine leichte Beute für hungrige Katzen abgeben.
Jagd als Sport und zum Nahrungserwerb
Seit jeher standen Tiere auf dem Speiseplan des Menschen. Von denen, die ihre Heimat im Verbreitungsgebiet der Papageien hatten, ist bekannt, dass sie auch diese nicht verschmähten. Bereits Columbus berichtete von Eingeborenen der karibischen Inseln, die Papageien verzehrten. Die Jagdmethoden waren jedoch primitiv und richteten an den Beständen keine grösseren Schäden an. Die erlegten Papageien lieferten Fleisch. Federn, Füsse und Schnäbel fanden Verwendung als Schmuck und Dekoration von Waffen und Werkzeugen. Jene Arten, die als heilig galten, wie etwa der Palmkakadu (Probosciger aterimus) bei den Asmat, einem Volksstamm Neuguineas, blieben ganz verschont.
Mit der Kolonisierung der Neuen Welt, Afrikas, Südostasiens und Australiens änderten sich die Jagdmethoden und Jagdwaffen der Einheimischen jedoch schnell. Durch den Einsatz von Gewehren ging die Zahl der erlegten Vögel enorm in die Höhe. Die Jagdlust und der Trophäenkult der neuen Eroberer taten ihr Übriges. Bald fielen die Vögel zu Hunderten tot von den Bäumen. Auf kleinen Inseln, wo das schützende Hinterland fehlte und die Vögel oft auch keine Scheu vor dem Menschen zeigten, waren die Bestände sehr schnell erschöpft oder gar ausgerottet. Der Maskeradenpapagei (Mascerinus mascarinus), der Rodriguez-Edelsittich (Psittacula exul), der Mauritius-Breitschnabelpapagei (Lophopsittacus mauritianus), der Bourbonpapagei (Necropsittacus borbonicus), der Bourbonsittich (Psittacula equel) oder der Macquarie-Laufsittich (Cyanoramphus novaezelandia erytrotis), sie alle wurden Opfer der Seefahrer. Auf Neuseeland trugen Seefahrer und Siedler massgeblich zur heutigen Situation des Eulenpapageis bei. Sein Fleisch wurde als äusserst wohlschmeckend bezeichnet.
Der Dünnschnabelnestor (Nestor productus) von der Insel Norfork war nach nur weniger als 20 Jahren nach der wissenschaftlichen Erstbeschreibung restlos verschwunden. Siedler und dorthin geflohene Sträflinge dürften laut Forshaw den Bestand ausgelöscht haben. Ein anderes tragisches Beispiel für die uneingeschränkte Jagdlust der neuen Eroberer liefert der Niedergang des Carolinasittichs (Conuropsis carolinensis). 1887 schreibt Karl Russ: «Man jagt sie eifrig um ihres wohlschmeckenden Fleisches willen und ausserdem werden sie von Sonntagsjägern bloss zum Vergnügen, manchmal in grosser Anzahl herabgeschmettert. Auf das Geschrei eines Krankgeschossenen eilen sie herbei, um klagend solange über demselben zu flattern, bis wohl gar der ganze Schwarm aufgerieben ist.» Russ vermerkt auch, dass diese Art in Teilen ihres Verbreitungsgebietes bereits selten oder ganz verschwunden war. Nur 30 Jahre später war der Carolinasittich endgültig ausgerottet.
Nach der Ecuador-Amazone ist die Rotschwanzamazone (Amazona brasilensis) die populationsschwächste Amazone auf dem Festland. Dieser Umstand hindert die dortige Bevölkerung jedoch nicht, auf die Tiere zu schiessen und den Bestand somit weiter zu belasten.
Die jüngste Tragödie ereignete sich auf der Insel Salembu Besar in der Java-See, mit der dortigen Unterart des Gelbwangenkakadus (Cacatua sulphurea abottii). Erst Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die grösste der Sulphurea-Unterarten ent-deckt, und nur noch eine Hand voll dieser Vögel ist am Anfang dieses Jahrhunderts übrig geblieben. Auch hier liegen die Hauptursachen in der ungezähmten Jagdlust des Menschen.
Krankheiten
Genau wie unsere Haustiere aus oft unersichtlichen Gründen erkranken können, ist dies auch öfters bei Wildtieren der Fall. Die Bedrohungen sind vorwiegend im Bereich von Infektionen durch Viren, Bakterien oder Parasiten zu suchen. Leider wirken sich diese Infektionen im Gegensatz zu unseren Haustieren meist fatal aus. Früherkennung ist bei einer sonst stabilen Population fast nicht möglich. Somit ist der Verlauf oft bereits seuchenartig, bis wir Notiz davon nehmen; schlimmstenfalls erst, wenn die Vögel sprichwörtlich tot vom Himmel fallen. Dieses Phänomen trat in Australien immer wieder auf. So fielen 1957 in Adelaide die gleichnamigen Sittiche (Platycercus adelaidae), in New South Wales die Königssittiche (Alisterus scapularis) tot von den Bäumen.
Erschwerend hinzu kommt bei Krankheiten die oft verborgene Lebensweise mancher Arten. So können oft Jahre vergehen, bis bemerkt wird, dass es einen Populationseinbruch gegeben hat. Übrig bleiben meist nur die wenigen resistenten oder geografisch isolierten Tiere. Woran der Rest verstorben ist, bleibt meist reine Spekulation. Immelmann und Vogels vermuten im raschen Verschwinden von Glanz- und Schönsittich eine seuchenartige Krankheit. Diefenbach berichtet von Rotsteisskakadus (Cacatua heamaturopygia), die Ende der Siebzigerjahre importiert wurden und bei denen nach der ersten Mauser in Gefangenschaft keine oder nur unvollständig entwickelte Konturfedern nachwuchsen. Dieses Phänomen wird heute als PBFD bezeichnet. Woher die Kakadus den Virus hatten, ob sie vielleicht bereits im Freiland infiziert waren, bleibt ungeklärt.
Von der kleinen Population der Goldbauchsittiche ist ein Teil auf PBFD positiv getestet, was das Überleben der Art erneut in Frage stellt. Bei heutigen Untersuchungen wird der Faktor Krankheiten sofort ins Auge gefasst, die Ereignisse der Vergangenheit werden wohl aber im Dunkeln bleiben.
Klimatische Einflüsse
In den meisten Fällen wirken sich klimatische Einflüsse nicht sofort auf die Papageienbestände aus. Die Bedrohung durch tropische Wirbelstürme, Buschbrände oder Dürreperioden kann meist erst im Nachhinein eingeschätzt werden. In erster Linie ist es die Zerstörung von Brutbäumen und Nahrungspflanzen. Bei kleinen Inseln, wie die der Antillen, kann diese Verwüstung oft nahezu 100 Prozent des Lebensraumes betragen. Die Zahl der adulten Amazonen, die bei den dort regelmässig auftretenden Wirbelstürmen getötet werden, ist geringer, als früher angenommen wurde. Die Einheimischen, die unmittelbar nach einem Hurrikan Jagd auf die verstörten Vögel machen, fordern mit grosser Wahrscheinlichkeit mehr Opfer. Dass jedoch allein der Verlust von potenziellen Brutbäumen noch nicht zu Populationsniedergängen führen muss, zeigen die Bahama-Amazonen, die auf Great Abaco Island in Erdhöhlen brüten.
Als 1975 der Hurrikan Gervais und fünf Jahre später Chandette über die Insel Mauritius fegte, fanden jeweils fünf Echosittiche den Tod (Seitre 1992). Allerdings kann der Verlust von nur wenigen Individuen einer kleinen Population, wie die der Echosittiche (Psittacula echo), bereits kritisch sein. Ähnliche Beispiele geben die Blaumaskenamazone oder der Smaragdlori auf den Marquesas-Inseln. Die genetische Variabilität sinkt, je weniger Tiere für eine Fortpflanzung zur Verfügung stehen, und damit auch die Erhaltung überlebensrelevanter Merkmale.
Die Bedrohung durch Buschbrände ist ähnlich der durch Hurrikans. Abgesehen von unselbstständigen Jungtieren, sind Brände für Vögel kaum eine Bedrohung. Sehr schnell erholt sich die zerstörte Vegetation und die Fauna kehrt von selbst zurück. Die Rabenkakadus Australiens fühlen sich besonders von frisch abgebrannten Banksien (Banksia spp.) angezogen, einer auf dem fünften Kontinent weit verbreiteten Pflanzenart. Erst durch die Hitze des Feuers springen die Samenkapseln der Banksien auf. Gelbohrrabenkakadus (Calyptorhynchus funereus) konnte ich selbst beobachten; sie bedienten sich an einem noch rauchenden Hang an den Samen. Leider werden die abgebrannten Flächen selten sich selbst überlassen. Vielmehr werden sie umgewandelt in Kulturland. In Indonesien, Mittel- und Südamerika schrumpfen die Lebensräume der waldbewohnenden Arten auf diese Weise ins Bedrohliche.
Eine weitere mögliche Bedrohung stellen Dürreperioden dar, über deren Auswirkungen auf die Artbestände aber erst wenig bekannt ist. Von einigen Vertretern der Langflügelpapageien und Unzertrennlichen der Savannen Afrikas, oder dem Prince-of-Wales-Sittich vom ariden (wüstenhaften) Inland Australiens weiss man, dass diese Arten oft über einen längeren Zeitraum in einigen Gegenden ihres Verbreitungsgebietes fehlen können.
Da es klimatische Unregelmässigkeiten auf der Erde immer gegeben hat, sind die meisten Arten jedoch gut an diese Bedingungen angepasst. Arten in ariden Gebieten haben oft eine nomadische Lebensweise ausgebildet. Erst durch das Auftreten zusätzlicher Bedrohungen gewinnen auch klimatische Einflüsse an Bedeutung.
Christian Maierhofer
Tierwelt, Nr. 23, 2003