Erkenntnisse bei der Haltung und Zucht von Hyazintharas
von Norbert Hebel
In der Zeitschrift Gefiederte Welt (Ausgabe 4/2002 - April 126. Jahrgang, Seiten 114 bis 119) erschienen
(Redaktion, Gefiederte Welt: Seit über 10 Jahren hält Norbert Hebel Hyazintharas (Anodorhynchus hyacinthinus Lath.,1790). Seine Erkenntnisse bei der Haltung und Zucht dieser großten blauen Aras hat er zum ersten Mal auf dem Symposium zum 125. Jahrgang der Gefiederten Welt und zum 90. Geburtstag von Dr, Steinbacher in Stuttgart einem breiten Publikum vorgestellt. Dieser Vortrag ist die Grundlage dieses Beitrages, auch wenn wir hier nicht die faszinierenden Videobilder aus dem Nistkasten zeigen können)
Vorgeschichte
Als Liebhaber und Züchter von Papageien war auch fur mich der Hyazinthara immer ein Traumvogel. Dieser Traum erschien jedoch unerschwinglich, als Ende der 80er Jahre die Preise fur diese Vogel sehr stark anstiegen. Auch das Angebot war sehr gering da die Behörden sogar den Weiterverkauf der älteren Wildfänge als illegal betrachteten.
Per Zufall bat mich Anfang 1990 ein Halter von Hyazintharas um Hilfe. Er wollte aus familiären Gründen seine beiden Vogel ab geben, hatte aber seitens der Behörde Probleme, Cites-Papiere fur seine Vögel (Wildfänge von 1976) zu bekommen. Dieses Problem konnte mit Hilfe der obersten Naturschutzbehörde des zuständigen Bundeslandes gelöst werden. So kam ich in den Besitz eines Paares, das bereits Eier gelegt hatte.
Haltung damals
Die beiden Vögel bezogen zunächst einmal meine Garage (7 m x 3,5 m), in der sich eien Glastür und ein Fenster befanden. Das fenster wurde von Innen vergittert, so dass man es von außen öffnen konnte und die Vögel somit Luft und Sonnenstrahlen genießen konnten. Im Inneren der garage wurde ein Futtergang abgetrennt. Dort fand auch der Nistkasten seinen Platz, und zwar direkt über der Heizung.
Leider erkrankte nach ca. zwei Jahren das Weibchen. Damals wurde von allen Experten eine Stressdermatitis (Unterflügelsyndrom) diagnostiziert und es wurden viele Behandlungsmethoden ausprobiert. Doch keine hatte Erfolg.
Ein neues Weibchen fand ich im November 1994 bei einem Tierdompteur, der es auf der Buhne als Kulissenvogel im Hintergrund benützte.
Verträglichkeit
Die Neuankömmling wurde zunächst nach einer sechswöchigen Quarantänezeit in einem großen Käfig ans Gitter der Voliere gestellt. Nach zwei Tagen konnte ich feststellen, daß das Männchen sich nur noch in der Nähe des Weibchens aufhielt und beide alle Handlungen synchron ausführten. Drei tage später was ich mir sicher, daß die beiden Vögel zusammen bringen konnte.
Die Begrüßung war sehr freundlich, mit dem für fast alle Aras üblichen Kopfnicken. Am ersten Tag hatten beide schon Schnabelkontakt und ab dem zweiten Tag waren sie unzertrennlich. Da beide so gut harmonierten, habe ich bereits nach vier Wochen einen Nistkasten angebracht.
Haltung heute
Da man mit der Haltung seiner Vöge1 nie zufrieden sein sollte, habe ich wegen rneines Hobbys zum dritten Mal das Haus gewechselt und in einem Gewerbegebiet eine neue Zuchtanlage errichtet.
Mittlerweile halte ich zehn Hyazintharas. Jedes Paar hat in meiner Volierenanlage einen Innenraum in der Größe von 2,5 m x 2 m x 2,5 m (L x B x H). Die Außenvolieren sind 6 m x 2,5 m x; 2,6 m groß. Hinter dem Innenraum befindet sich der Versorgungsgang, der im Winter auf ca. 12oC geheizt wird und in dem sich auch die Nistkasten befinden. Für Jungvögel steht eine Innenvolliere von 6 x 3 m und 3,2 m Höhe zur Verfügung sowie eine Außenvoliere von 6 x 6 m, und 2,6 m Höhe.
Ernährung
1. Körnerfutter
Die Hyazintharas erhalten ein Papageiendiätfutter ohne Nüsse, das zusätzlich mit Sonnenblumenkernen angereichert wird. Dieses Futter wird aber nur gefressen, wenn sonst nichts anderes da ist. Das Hauptfutter besteht aus Nüssen. Offene Nüsse werden separat in leicht durchlüfteten Behältern aufbewahrt. Größere Mengen werden vakuum verschweißt. Der Raum, in dem die Nüsse und auch das Körnerfutter lagern, wird mit einem Luftentfeuchter auf unter 40% relative Luftfeuchte abgesenkt.Folgende Nuss-Sorten werden verfuttert: Cashewnuss-, Mandel-, Haselnuss-, Macadamianuss-, Erdnuss-und Paranusskerne sowie ab und zu klein geschnittenes Kokosnussmark. Noch in der Schale werden Haselnüsse, Krachmandeln, geröstete Erdnüsse und Walnüsse gereicht. Die Walnüsse werden zur Qualitätsprüfung vorher halbiert.Ungeschälte, echte Palmnüsse (Bocaiuvasamen, lat. Acrocomia aculeata, Pittman 1994), die aus Paraguay importiert werden, haben rund 52% Fett, sind sehr faserreich und erinnern im Geschmack an Kokosnuss. Diese Nuss kann man jedoch nur mit dem Schraubstock öffnen, selbst die besten Nussknacker versagen. Alttiere (Wildfänge) wissen sofort, wie sie diese Nuss knacken können. Wenn sie mit dem Schnabel nicht erfolgreich sind, reißen sie einen Holzspan ab und klemmen diesen zwischen Oberschnabel und Nuss, um mit diesem "Werkzeug" die Nuss zu öffnen (Hohenstein 1987). Eigentlich dient der Span zum Festhalten der Nuss, er ist sozusagen ein "Puffer" zwischen dem Schnabel und der Nuss. Dadurch wird die Nuss stabilisiert. und kann leichter geöffnet werden. Jungvögel müssen dieses Verhalten erst erlernen. Aber auch sie benützen nach einiger Zeit einen Holzspan als Hilfsmittel.Gefüttert werden pro Vogel täglich 15 bis 20 verschiedene Nüsse. Während der Zucht wird die doppelte Menge gereicht.Warum auch Nüsse in der Schale, die auch als Nusskerne zur Verfügung stehen, verfüttert werden, hat folgende Bedeutung. Die Aras wetzen an den Schalen ihre Unterschnabel. Meistens behält der Vogel die Schale der Nuss oder Mandel nach dem Öffnen weiterhin im Schnabel, um daran noch eine Weile seinen Unterschnabel zu schärfen. Hierbei kommt es auch zu dem fur Hyazintharas so typischen Verhalten, dem "Hamstern". Während eine Nuss gefressen wird, hält er in dem Fuß, auf dem er sitzt, bereits die nächste auf Vorrat.Paranüsse dürfen keinesfalls in der Schale verfüttert werden, weil sie die meisten Pilzgifte enthalten und auch nach meinen Recherchen eine sehr schlimme Krankheit auslösen. Selbst halbierte Paranüsse, die anscheinend gut aussehen, haben diese Pilzgifte in sich. Der eigentlichen Nusskammer ist in dem Bereich, wo die Nuss mit der Palme verbunden ist, eine kleine Kammer vorgelagert, die beim Öffnen der Nuss Pilzsporen freigibt, die dann vom Vogel aufgenommen werden können. Manche Nüsse enthalten sogar Gase, die beim Öffnen freigesetzt werden.2, Obst, Gemüse und BeerenIn einem separaten Futternapf wird eine Mischung aus klein geschnittenem Obst und Gemüse gereicht, wie Äpfel, Birnen, Karotten, Paprika rot/grün sowie Banane und Papaya. Sie bilden das Grundangebot für jeden Tag. Des Weiteren kommen jahreszeitlich bedingt folgende Futterstoffe hinzu:Zucchini, Fenchel, Rosenkohl, Chicoree, Granatäpfel, Erbsen in Schoten, Feldsalat, Kirschen, Pflaumen, Mandarinen, Orangen, Johannisbeeren, Nektarinen, Aprikosen, Trauben, Mango und Mirabellen. Das Lieblingsobst ist Papaya, gefolgt von Bananen, Trauben und Granatäpfeln.Ebereschenbeeren, Hagebutten, Mais, Kirschen sowie Granatäpfel werden auch tiefgefroren und im Winter nach dem Auftauen gereicht.3. KeimfutterKeimfutter wird vor und während der Zucht angeboten, es wird aber nicht gerne gefressen. Verwendet wird ein Taubenfutter, gemischt mit 50% gestreiften Sonnenblumen, das nur jeden zweiten Tag gereicht wird. Unter das Keimfutter wird abwechselnd Eifutter oder ein Mineralstoffgemisch gegeben. Damit dieses besser am Keimfutter haftet, wird es vorher etwas mit Weizenkeimöl angefeuchtet.4. ZusatzstoffeDa ich sehr auf Qualität achte und sehr abwechslungsreich füttere, wird nur wenig beigefüttert. Über das Trinkwasser werden nur Vitacombex (park davis), Multivitamin-Brausetablette (Aldi), Amynin (Fa. Merial) und Frubiase Kalzium forte Trinkampullen (Boehringer Ingelheim) verabreicht. Als Mineralstoffgemisch verwende ich Kanavit (Fa. Kroni), ein Präparat aus der Schweiz. Hierzu sei angemerkt, dass bei diesem Mittel das Verhältnis von Kalzium und Phosphor im richtigen Verhältnis 2:1 vorhanden ist. DiesesVerhältnis ist sehr wichtig, weil nur dann in den Knochen das für die Eiablage notwendige Kalzium eingelagert werden kann. Diese Mittel werden höchstens einmal pro Woche und in der Zuchtperiode jeden zweiten Tag verwendet. Frubiase Calcium wird nur vor der Eiablage und während der Brut- und Aufzuchtszeit verabreicht.ZuchtIch benutze liegende Naturstamm-Nisthöhlen, die außerhalb der Innenvoliere im Versorgungsgang angebracht sind. Das Einschlupfloch kann mit einem Schieber verschlossen werden. Auch sind eine Kontrollklappe und zusätzlich eine Öffnung für eine Infrarot-Kamera vorhanden (Fa. Fiebich).Die Brutzeit beginnt bei meinen Vögeln ab Ende Dezember, dann wird der Niststamm geöffnet, der im Sommer verschlossen wurde. Am Anfang der Brutsaison zeigen die Vöge1 meistens die gleichen Verhaltensweisen: Sie putzen sich ausgiebig im Bereich der Kloake und befreien diese damit wahrscheinlich auch von zu dichtem Flaum, was die Befruchtungsrate erhöhen könnte. Die Tiere werden auch immer aggressiver. Wenn. der Pfleger zu nahe kommt, zeigen sie ihre Brutlust mit Scheintreten an, wobei sie sehr laute, abnorme Tretgeräusche von sich geben. Echte Begattungsgeräusche sind nicht so laut. Hyazintharas treten, in dem sie nebeneinander auf einer Stange sitzen, den Körper um ca. 90º drehen und dabei die Kloaken gegeneinander pressen, wobei die Schwanzfedern fast senkrecht nach oben gerichtet sind.Es wird während dieser Zeit sehr häufig der Nistkasten aufgesucht, der auch intensiv benagt wird. Die Kleintierstreu, die sich zu Anfang darin befindet, wird restlos durch das Einschlupfloch entfernt. Kommt das Weibchen nur noch zögerlich aus dem Kasten oder sie schaut nur aus dem Einschlupfloch heraus, dann dauert es bis zur Eiablage nur noch wenige Tage.NaturbrutHyazintharas legen im Normalfall zwei Eier im Abstand von 3 bis 5 Tagen. Bei einem sehr erfahrenen Paar, das schon mehrere erfolgreiche Bruten hinter sich hat, kann es vorkommen, dass drei Eier gelegt werden. Das wurde auch von H. J. Künne bestätigt (mündl. Aussage).Während der Brutzeit wird der Versorgungsgang auf 22 bis 24oC geheizt und mit einem Luftentfeuchter die relative Luftfeuchtigkeit auf 38 bis 42% abgesenkt. Unter diesen Voraussetzungen wurde bei mir die beste Schlupfrate erreicht.Die Bebrütung der Eier ist ausschließlich Sache des Weibchens. Das Mannchen sitzt jedoch oft gleichzeitig im Nistkasten, pflegt dann ausgiebig das Gefieder der Partnerin und füttert diese auch während der Nacht.Verlässt das Weibchen den Nistkasten, versucht das Mannchen zu brüten. Es stellt sich dann über die Eier, setzt sich aber nicht darauf, wobei meistens ein Bein ausgestreckt wird. Kommt die Partnerin wieder in den Kasten und das Mannchen macht nicht gleich freiwillig Platz, rollt das Weibchen die Eier mit dem Schnabel zu sich herüber.Die Brutzeit beträgt zwischen 25 und 28 Tage. Der Jungvogel durchdringt bereits 3 bis 4 Tage vor dem Schlupf die Eihaut. Das erkennt man an der Vergrößerung der Luftblase. Der eigentliche Schlupfvorgang, vom ersten Anpicken bis zum Schlupf, kann bis zu 48 Stunden dauern. Das Schlupfgewicht variiert zwischen 18 bis 26 g.Ich habe beobachtet, dass das Weibchen aktiv beim Schlupf mithilft, indem es mit dem Schnabel vorsichtig die Eischale entfernt. Diese wird im Laufe der ersten Tage nach dem Schlupf kleingekaut und gefressen, was darauf schließen lasst, dass auch die Jungen auf diese Weise mit Calcium versorgt werden. Frisch geschlüpfte Jungvögel stehen bereits nach wenigen Minuten auf den Füßen, manchmal dauert es auch eine Stunde.Weiterhin konnte ich beobachten, dass die erste Fütterung manchmal schon innerhalb der ersten Stunde vorgenommen wird. Bis es zur ersten Fütterung kommt, kann es aber auch bis zu 18 Stunden dauern.Alle Fütterungen laufen bis zur sechsten Lebenswoche nach dem gleichen Muster ab. Das Weibchen würgt ein bis zwei Mal, nimmt den Jungvogel mit der Spitze seines Oberschnabels am Schnabelansatz, drückt mit der Unterseite des eigenen Schnabels dagegen, würgt noch einmal und der Futterbrei ergießt sich über die Zunge direkt aus dem Kropf auf den Kopf des Jungvogels. Der Futterbrei, der an dem Jungen vorbei auf den Boden fällt, wird mit der Zunge von der Mutter fein säuberlich wieder aufgenommen, nachdem es zuvor den Jungvogel sauber geleckt hat. Dies geschieht auch nachts bei vollkommener Dunkelheit.Das Junge steht dabei meistens auf den Füßen. Am Anfang gehen fast 90% des hervorgewürgten Futters am Schnabel des Jungvogels vorbei. Doch mit zunehmendem Alter verbessert sich diese Fütterungs- technik immer mehr (auch der Schnabel des Jungvogels wird ja immer größer).Das Weibchen füttert fast immer, sobald der Jungvogel um Futter bettelt. Das kann am Anfang alle zehn Minuten der Fal1 sein. Nachts konnte ich feststellen, dass das Weibchen sehr ermüdet im Kasten lag, dabei wurde der Jungvogel vollständig abgedeckt, was tagsüber nicht immer der Fall war. Dann wurden auch Bettelrufe ignoriert und die Fütterungsintervalle auf ca.1/2 Std. ausgedehnt. Jedoch wurde immer durchgehend gefüttert.Der Futterbrei ist in den ersten drei Tagen feiner und sämiger, danach werden auch ganze Stücke - so groß wie Sonnenblumenkerne - verfüttert. Man kann bei einem so kleinen Vogel sehr gut erkennen, wie die größeren Futterteile die Speiseröhre hinuntergleiten.Nach ca.10 Tagen wird tagsüber meistens nur unter einem Flügel gehudert.Es kommt auch vor, dass das Männchen oder das Weibchen auf den Jungvogel drauftreten, ohne das ein Schaden entsteht. Auch sonst gehen die Alttiere mit den Jungen recht unsanft um. Es kommt schon einmal vor, dass ein Junges einfach um- oder auch hoch geworfen wird.Ab dem dritten Tag versucht das Männchen, dem Jungvogel Futter zu übergeben, was anfangs nicht sehr erfolgreich ist. Bei jeder Gelegenheit - wenn das Weibchen die Nisthöhle verlassen hat - stellt sich das Männchen vorsichtig über den Jungvogel ohne ihn eigentlich zu hudern. Ab der zweiten Lebenswoche füttert das Männchen immer öfters und ab der 3. bis 4. Woche regelmäßig. Der Kropf des Nestlings war immer prall gefüllt.KunstbrutManchmal ist eine Kunstbrut nicht zu vermeiden, wenn z.B. die Luftfeuchtigkeit im Zuchtraum nicht ausreichend gesenkt werden kann. Ich versuche aber wenigstens in der ersten Woche die Eier bei den Alttieren zu lassen.Die Temperatur im Brutapparat beträgt 37,2º C und die Luftfeuchtigkeit darf 38% nicht übersteigen. Es kommen nur geeichte Thermometer bzw. hochwertige Hygrometer zum Einsatz. Die Eier werden achtmal am Tag gewendet. Es wird in einem Grumbach-Brutapparat S84 mit einem automatischen Rollenwender gewendet. Bei den acht vorgenommenen Wendungen gibt es zeitliche Unterschiede. Es wird immer abwechselnd einmal 10 Minuten und einmal 15 Minuten gewendet. Ab dem siebten Tag werden die Eier einmal am Tag ca. 10 bis 15 Minuten abgekühlt und gelüftet, dabei wird die Tür vom Brutapparat aufgemacht und der Rollenwender herausgezogen, so dass sich die Eier vor dem Brutapparat befinden.Nach ca. 24 Tagen, spätestens wenn sich die Luftblase senkt, kommt das Ei in einen anderen Brutapparat. Es wird nicht mehr gewendet, die Temperatur wird auf 36,8º C abgesenkt und die Luftfeuchtigkeit auf 50 bis 55% erhöht.Der Schlupfvorgang selbst ist vollkommen mit dem bei einer Naturbrut vergleichbar.HandaufzuchtDass es schwierig ist, Hyazintharas vom Ei aus großzuziehen, war mir bekannt. 1995 war ich aber gezwungen, einen Jungvogel mit der Hand aufzuziehen. Ich verwendete Handaufzucht-Futter der Fa. Kaytee mit 12 % Fett, mit dem ich zuvor schon einige Gelbbrustaras großgezogen hatte. Die erste Fütterung bestand jedoch aus papageienspezifischen Lactobazillen.Das Schlupfgewicht betrug 22 g, wobei der Jungvogel in zwei Tagen zunächst einmal 6 g abnahm. Sein Wachstum war von Anfang an nicht zufriedenstellend. Der Sitzbauch, der so typisch für Papageienjunge ist, stellte sich nicht ein. Nach ca. drei Wochen war im Kropf ein Kloß mit Futterbrei, der nicht verdaut wurde, so dass sich dieser nie ganz entleerte (s. auch Dr. Enders 1998). Dieser Vorgang wird als Kropfstasis bezeichnet. Ich gab dann verschiedenen Zusatzmittel, wie z. B. Fermatulact oder Pankreon, aber auch Alete Fruchtebrei, gemahlene Haselnüsse und Dr. Harrissen Handaufzuchtfutter. Es trat jedoch keine Besserung ein und der Vogel hatte wenige Chancen zu überleben. Erst als ich von einem Züchter aus Holland erfuhr, dass es am besten sei, als Verdauungshilfe Papaya unterzumischen, ging es mit dem Jungvogel bergauf.Er verdaute von nun an fast imrner vollständig und die Gewichtszunahme war sehr zufrieden stellend. Nach ca.100 Tagen wurde das Höchstgewicht von 1.402 g erreicht. Leider ist bei der Handaufzucht der Schnabel schief gewachsen, was wahrscheinlich auf eine falsche Futterzusammensetzung zurückzuführen ist (Clubb 1998).1996 musste ich wieder einen Vogel vom Schlupf an mit der Hand aufziehen, da der Altvogel das zweitgeschlüpfte Junge einfach nicht fütterte. Vermutlich war der Abstand zum Erstgeschlüpften zu groß (fünf Tage). Zuvor besorgte ich mir Handaufzuchtfutter der Fa. Pretty Bird mit 15 % Fett. Dieses Futter wurde von Gloria AIIen in ihrem Vortrag beim Papageienkongress 1994 auf Teneriffa als spezielles Hyazinthara-Handaufzuchtfutter beschrieben.Der Futterbrei wurde vom ersten bis zum letzten Tag ohne Probleme verdaut, wobei ab der vierten Woche Papaya zugesetzt wurde. Leider fing ab der fünften Woche der Schnabel an wieder schief zu wachsen. Da man uber den Fettgehalt, der von einem Hyazinthara in der Wachstumsphase benötigt wird, nur spekulieren kann, setzte ich dem Futterbrei kleingedrückte Macadamia-Nüsse zu (73,7% Fett). Innerhalb von vier Wochen korrigierte sich der Schnabel merklich und war am Ende der Handaufzucht nicht mehr auffällig. Dies könnte mehrfach auch bei Handaufzuchten ab der achten Woche beobachtet und korrigiert werden (auch beim Ara ambigua).Das erstgeschlüpfte Junge wurde bis zum 55. Tag bei den Alttieren belassen und dann ebenfalls zur Handaufzucht herausgenommen. Deutlich konnte man die beiden Jungtiere voneinander unterscheiden, denn die Naturbrut hatte durch das ständige Ablecken der Mutter eine deutlich fleischfarbenere Haut. Das handaufgezogene Junge war mehr grau.Nach ca. acht Wochen konnte ein fur Hyazintharas typisches Verhalten beobachtet werden. Sobald der Jungvogel sich erschrak, warf er sich auf den Rücken und streckte die Füße mit den Krallen zur Abwehr nach oben. In der Natur sind die messerscharfen Krallen die Waffen gegen Beutegreifer.Beide Jungvögel wurden gewogen und ein Wachstumsvergleich wurde angestellt: Die Abweichungen zwischen Hand- und Naturbrut sind anhand der Wachstumskurve zu erkennen. Bei Herausnahme des naturaufgezogenen Jungtieres betrug der Gewichtsunterschied 130 g. Die größte Abweichung wurde um den 45. Tag notiert und betrug 150 g. Jedoch holte die Handaufzucht den Gewichtsunterschied bis zum 66. Tag wieder auf und beide wogen dann 1.440 g.1999 musste ich nochmals von Hand aufziehen. Da es aber das Futter von Pretty Bird mit 15% Fett nicht mehr gab und ein Jahr zuvor viele Züchter, so auch ich, mit diesem Handaufzuchtfutter erhebliche Probleme hatten, entschied ich mich für das Handaufzuchtfutter der Fa. Roudybush. Es wurde Formula 3 mit 8 % Fett verwendet. Nach 10 Tagen wurden Papaya- und nach 18 Tagen Macadamianüsse dazugemischt. Es wurde auch hinzugefüttert, wenn der Kropf nicht ganz leer war, was aber nie ein Problem darstellte. Der Jungvogel wog vor der Entwöhnung 1.485 g. Das höchste Gewicht, das ich bei einem Jungvogel in der Handaufzucht je gewogen habe, betrug 1.638 g.Die handaufgezogenen Hyazintharas sind mit 5 bis 6 Monaten selbstständig. Lieblingsobst sind wie bei den Alttieren Papaya, Banane sowie Trauben. Ansonsten werden fast ausschließlich Nüsse gefressen. Wichtig bei der Handaufzucht sind eine faserreiche und sehr fetthaltige Ernährung sowie vorbildliche Hygiene.GelbfärbungEs fällt immer wieder auf, dass die gelbe Wangenhaut unterschiedlich gefärbt ist. VieIe vergleichen die Intensität der Gelbfärbung mit der Vitalität der Vögel, so wie es auch beim Palmkakadu angenommen wird. Andere wiederum, gehen davon aus, dass es teilweise geschlechtsgebundene Unterschiede gibt oder dass dies mit der Zuchtbereitschaft des Weibchens in Zusammenhang steht. Festzustellen ist: Die Gelbfärbung der Augenumrandung ist immer intensiver als die Wangenfärbung. Die Wangenfärbung sowie auch die seitliche Zungenfärbung variiern von Vogel zu Vogel und sind auch im Jahreswechsel unterschiedlich.Meine eigenen Beobachtungen bei der jahrelangen Haltung der Hyazintharas haben mir auch gezeigt; dass diese Hautfärbungen je nach Unterbringungsart variieren. Bei meinen Hyazintharas in der Garage oder bei denen, die im Haus gehalten wurden, war die Gelbfärbung blasser als bei den Vögeln, die sich im Freien aufhalten konnten. Deshalb bin ich der Meinung, dass das Sonnenlicht einen großen Einfluss auf die.Gelbfärbung hat.Bei vielen Farbstoffen ist der chemische Aufbau noch unbekannt. Gerade bei Papageien weiß man wenig über gelbe und rote Hautfarben. Bei der gelben Wangen- und Augenfärbung handelt es sich um einen Fettfarbstoff (Lipochrome), der wahrscheinlich zur Gruppe der Carotinoide gehort. Im Gegensatz zu den Melaninen gibt es keine Selbstsynthese und sie müssen daher mit der Nahrung aufgenommen werden. Sie werden chemisch umgebaut und als Farbe in die Haut eingelagert.Die Intensität der Gelbfärbung ist hormonell und ernährungsbedingt. Bei Ernährungsschwankungen verändert sich die Farbe und bei einem Mangel an Karotin wird sie blasser. Bei Jungvögeln sind diese Partien sehr blass, werden aber bei richtiger Ernährung mit zunehmendem Alter immer gelber. Die Bedeutung dieser Farbmarkierungen ist nicht geklärt, aber wahrscheinlich handelt es sich um Signalfarben.Gefahren und KrankheitenUm Krankheiten zu vermeiden. sollte man bei den Haltungsbedingungen auf gewisse Dinge achten. Dünne Drähte, die als Volierengitter oder als Sitzstangenbefestigung verwendet werden, sollten unbedingt vermieden werden. Die Aras beißen muhelos Drähte bis 3 mm durch. So hatte ein Ara ein Stuck Draht verschluckt, das erst durch eine Operation aus dem Magen entfernt werden konnte. Ein anderer Ara wickelte sich ein Stuck Draht um den Zeh. Beim Versuch, diesen selbst wieder zu entfernen, biss er sich komplett die Kralle ab. Ein anderer Unfall ergab sich dadurch, dass ein Ara sich mit den Krallen in einem aufgespannten Seil verheddert hatte. Um sich selbst zu befreien, begann er mit seiner Selbstverstummelung. Er biss sich an dem verhedderten Fuß drei Krallen ab, wobei bei zwei Zehen der Knochen heraustrat. Danach musste ein Zehenglied operativ entfernt werden.Offene Ringe dürfen bei Hyazintharas überhaupt nicht verwendet werden, selbst geschlossene Alu-Ringe sind strikt abzulehnen, denn auch davon können Gefahren ausgehen. Bei einem Vogel wurden nach einem Jahr nur noch Bruchstücke des Ringes im Volierensand gefunden. Bei einem anderen ging es gerade noch einmal gut aus, als er nach vier Jahren den schon viel benagten, geschlossenen Ring, auf dem man schon nach zwei Jahren nichts mehr lesen konnte, durchbiss und sich so die Blutzufuhr selbst abschnitt. Gerade noch rechtzeitig konnte der Ring ohne Schaden für das Tier entfernt werden. Meine Tiere sind daher alle mit einem Mikro-Chip gekennzeichnet.Nun noch zu einer Krankheit, die ich im Zusammenhang mit den Paranüssen bereits erwähnte. Auch bei mir erkrankte ein Vogel an dem so genannten Unterflügelsyndrom. Die Diagnose lautete: Stressdermatitis. Es handelt sich dabei um wunde und aufgebissene Stellen im Bereich der Achselhöhle. Leider konnte bei dem Vogel keine Heilung erzielt werden. Zum Schluss entwickelten sich die offenen Stellen zu einer Krebsgeschwulst; bei dem Versuch, die Geschwulst herauszuschneiden, verstarb der Vogel.Inzwischen sind mir sieben Fälle bekannt, die ähnlich verlaufen sind. Es fängt immer mit braunen Flecken unter den Flugeln oder auf dem Oberschenkel an.Nach meinen Nachforschungen hatten zuvor alle Züchter sehr viele Paranüsse in der Schale verfüttert. Zwei Züchter, bei denen die Krankheit der Vögel noch nicht so weit fortgeschritten war, unterließen daraufhin die Fütterung mit diesen Nüssen. Die Symptome verschwanden nach relativ kurzer Zeit und beide Vögel haben jetzt nach rund zwei Jahren erfolgreich gebrütet. Meine Meinung dazu: Ein Vogel entgiftet im Normalfall über Leber und Nieren. Sind aber zu viele Giftstoffe im Körper, so werden Giftstoffe über die Haut nach außen transportiert. Auslöser sind vermutlich mit den Paranüssen aufgenommene Schimmelpilze, die im Tier dann Aflatoxine (Giftstoffe) freisetzen.AnregungenMeine Erkenntnisse und die Schlussfolgerungen, die ich in diesem Bericht wiedergegeben habe, beruhen auf 12 Jahre langen Beobachtungen in der privaten Vogelhaltung. Vielleicht können sie Anlass zu wissenschaftlichen Untersuchungen sein. Gerne stehe ich für Auskünfte zur Verfügung.Auch möchte ich alle Halter und Züchter von Hyazintharas dazu aufrufen, sich bei mir zu melden, wenn sie ähnliche Probleme hatten oder vielleicht noch mehr über Hyazintharas wissen möchten, was sie in diesem Bericht nicht nachlesen konnten. Es ist geplant, einen Hyazinthara-Stammtisch ins Leben zu rufen, der sich einmal im Jahr zu einem Meinungsaustausch trifft.Eine letzte Anregung: Schaffen Sie sich eine Infrarot-Kamera (Fa. Fiebich) an. Ohne dieses Gerät waren viele Erkenntnisse nicht ans Tageslicht gekommen. Außerdem können die Übertragungen aus dem Nistkasten oftmals sehr viel spannender sein, als so manches Fernsehprogramm.LiteraturAbramson, J., Speer, B. L., Thomsen, J. B. (1995): The large macaws. Raintree Publication, Fort Bragg, Kalifornien.Casares, M., Enders, F. (1998): Erfahrungen bei der Haltung und Zucht von Hyazintharas (Anodorhynchus hyacinthinus) im Loro Parque. Zeitschrift Zool. Garten N. F. 68.Clubb, S. (1998): Handaufzucht von Papageien - Probleme, Ursachen und Lösung. Vortrag auf dem IV. Internationalen Papageienkongress Teneriffa.Hohenstein, K. (1987): Werkzeuggebrauch bei Papageien. GW 111: 329-330.Pittman, T. (1994): Über die Ernährung der Anodorhynchus-Arten in Freileben. Papageien 7: 54-56.Zum ThemaKünne H-J (1996) Wird dem Hyazinthara der Schnabel zu groß? GW 120: 336-337Low.R (1991) Im Palmitos Park ziehen Hyazintharas Junge auf GW 115: 80-83Müller-Bierl.M (1993) Der "Schwarze Ara" der Brasilianer GW115:168-169Nedelnik. J(1992) Handaufzucht von zwei Hyazintharas. GW 117: 192-193Silva.T (1991) Der Hyazinthara - Status und Fortpflanzung in Menschenobhut GW 115: 298-301Volkemer. G (1985) Zucht des Hyazinthara GW 109: 7-9Andere Artikel über den Hyazinthara in der VogelhaltungArtikelverzeichnis Blue Macaws Titelseite