Erfolgreiche Handaufzuchten beim Hyazinthara
(Anodorhynchus hyacinthinus LATHAM,1790)
von Carmen Lafin
In " Die Voliere " (Ausgabe Juni 1986) erschienen
Mit einer Gesamtlänge von etwa 100 cm ist der Hyazinthara der größte Papageienvogel. Hyazintharas bewohnen die Galeriewälder und Sumpfgebiete des südlichen Brasiliens. Insbesondere werden das mittlere und östliche Mato Grosso sowie das Pantanalgebiet besiedelt. Der Pantanal, bis vor kurzem noch ein urwuchsiges, nahezu unberührtes Tiefland im Osten Brasiliens, wird neuerdings von der brasilianischen Regierung erschlossen, so daß der Ruin dieses einzigartigen Gebietes nicht mehr lange auf sich warten lassen wird. Mit der Erschließung dieses Grenzgebietes zu Bolivien und Paraguay geraten auch die hier noch zahlreich lebenden Hyazintharas zunehmend in Bedrängnis. In kleineren Familienverbänden durchstreifen diese die Wälder, um geeignete .Nahrungsquellen ausfindig zu machen. Von besonderer Bedeutung sind die verschiedenen Palmfrüchte, die die Hauptnahrungsquelle dieser gewandten Flieger ausmachen. Beeren, Früchte und Knospen unterschiedlichster Art gehören zum weiteren Nahrungsspektrum. Abends suchen mehrere Gruppen gemeinsame Übernachtungsplätze auf, die sie morgens wieder truppweise (meist 2-8 Tiere) zwecks Nahrungssuche verlassen. Als Nistgelegenheit dienen Baumhöhlen (Palme) sowie stellenweise selbstgegrabene Erdhöhlungen in hohen Uferböschungen.
Das Freileben dieser imposanten Papageien ist vergleichsweise nur wenig erforscht. Die Gründe hierfür liegen u.a.in der Unzugänglichkeit des Lebensraumes, der stellenweise noch vollkommen unerforscht ist. Hyazintharas waren schon immer begehrte Ausstellungsstücke fur zoologische Gärten und ähnliche Einrichtungen, wo sie früher meist einzeln oder in Gesellschaft mit anderen Ara-Arten gepflegt wurden. Diese Haltungsform ist heute allerdings überhaupt nicht mehr zu rechtfertigen, zumal die Tiere auch in Freiheit durch menschliche Eingriffe in den Naturhaushalt in Bedrängnis geraten. Da keine große Population in Menschenobhut existiert, erscheinen intensive Zuchtbemühungen oberstes Gebot. Durch engagierte Zuchtprogramme könnte die Population langfristig in Menschenobhut gefestigt werden, und mannigfältige biologische Daten könnten so gewonnen werden. Da über erfolgreiche Nachzuchten so gut wie gar nichts in Erfahrung zu bringen ist, will ich im folgenden meine Erfahrungen in der Handaufzucht wiedergeben.
Insgesamt konnte ich bis heute 4 Hyazintharas erfolgreich aufziehen. Das EIternpaar ist - wie die übrigen Papageienin einem geräumigen Vogelhaus untergebracht. Die Vögel bewohnen gruppenweise verschiedene Volierenanlagen, die jeweils Freiflug gestatten und ausgiebige Bewegungsmöglichkeiten (Klettern, Flug) bieten. Auf die freien Entfaltungsmöglichkeiten der Tiere wird großer Wert gelegt. Nach drei ergebnislosen Brutbemühungen erfolgte bei meinen Hyazintharas im Frühjahr 1982 ein erneuter Brutversuch. Inmitten des Futtertisches - die Nüsse und Nußschalen waren sorgfältig zerkleinert worden - wurden zwei Eier abgelegt (Lege-intervall 4 Tage!). Das Weibchen nahm mit der Ablage des 1. Eies die Bebrütung auf. Es wurde regelmaßig vom Männchen mit Nahrung versorgt. Nach 35 Tagen entfernte ich die Eier. Eine Kontrolle ergab. daß diese etwa 14 Tage alte. abgestorbene Embryonen enthielten.
Sofort wurde ein Nistkasten gebaut, dessen Boden dick mit Sägespänen bedeckt wurde. Um den Nistkasten vor Zerstorung zu sichern (das Nagebedürfnis der Hyazintharas ist sehr ausgeprägt), wurde als Material Brasilkiefer gewahlt (Hartholz). Alle Kanten und Ecken wurden zusätzlich durch Blechstreifen gesichert. Die Höhe der Bruthilfe beträgt 150 cm, der Durchmesser 60 cm. Das Einflugloch weist einen Durchmesser von 20 cm auf. Als Anflugstange dient ein Badewannengriff. Eine Kontrollklappe ermöglicht erforderliche Inspektionen. Diese Bruthöhle wurde sofort von den Altvögeln angenommen. Die 1. Eiablage erfolgte am 31. Mai 1982, die zweite 4 Tage später. Wie bei den vorherigen Brutversuchen brütete das Weibchen wieder zuverlässig und intensiv. Regelmäßig wurden wieder Fütterungen seitens des Männchens beobachtet, aber immer außerhalb der Bruthöhle. Das Männchen konnte nie im Nistkasten beobachtet werden! Nach einer Bebrütungszeit von genau 28 Tagen schlüpfte ein Jungvogel, der vom Weibchen gut gefüttert wurde. Außer dem gewohnten Nahrungsangebot nahmen die Alttiere keinerlei andere Nahrung auf. Ersteres bestand aus folgenden Zusätzen: Paranüsse, Walniisse, Erdnüsse, Haselnüsse; Apfel, Bananen, Weintrauben; frische Maiskolben, Gurken und Möhren. Eine verstärkte Aufnahme von Möhren war zu beobachten. Vitamine wurden regelmäßig über das Trinkwasser verabreicht. Der zweite Jungvogel schlüpfte 4 Tage später. Da dieser aber nicht versorgt wurde, war er bereits am nächsten Tag verendet. Das erstgeborene Küken entwickelte sich hingegen ausgesprochen prächtig. Doch dann kam ein jähes Ende: Als es 6 Wochen alt war, wurde es urplötzlich vom Männchen, das erstmalig im Nistkasten beobachtet werden konnte, getötet. Vermutlich lag die Ursache im Fehlen tierischen Eiweißes.
Im Frühjahr 1983 kamen wiederum 2 Eier zur Ablage, die wieder regelmäßig bebrütet wurden. Ein Jungvogel schlüpfte, wurde auch versorgt, starb aber dennoch nach 3 Tagen. Beim Öffnen des 2. Eies konnte ein fertigentwickeltes Küken festgestellt werden, das an der Eischale festklebte.Ein erneuter Brutversuch wurde unternommen. Auf den Tag genau wie beim 2. Brutversuch des Vorjahres erfolgte am 31. Mai 1983 eine erneute Eiablage. Das Gelege bestand wiederum aus 2 Eiern. Am 1. Juli 1983 schlüpfte " Amigo " aus dem 2. Ei. Das zuerst abgelegte Ei enthielt wiederum einen abgestorbenen und fertigentwickelten Jungvogel. Ich beließ den Jungvogel (" Amigo") 6 Wochen im Nistkasten, dann entfernte ich ihn, als ich wieder ein intensives Interesse des Männchens am Nistkasten beobachtete."Amigo" wurde nun mit der Hand aufgezogen. Die Fütterungen erfolgten im Drei-Stunden-Intervall, von morgens um 7 Uhr bis abends um 10 Uhr. Zunächst gab es 6 Mahlzeiten täglich, die ich allerdings später langsam reduzierte. Anfangs wurde ein Brei verfüttert, der aus Haferschleim, Hefeflocken, Traubenzucker, Magermilchpulver sowie einem Mineralienpräparat (" Korvimin ZVT") bestand. Die Fütterungen erfolgten per Teelöffel und verliefen vollkommen problemlos. Diese Mischung wurde mit zunehmender Gewichtsentwicklung des Jungvogels durch folgende Zusatzstoffe ergänzt: gemahlene Sonnenblumenkerne und Nüsse; zerdrücktes Obst verschiedener Art, Möhrensaft; zerdrücktes Ei, Magerquark, Zwieback sowie Kalk. Besonderes Gewicht wurde auf eine ausreichende Eiweißversorgung (animalisch) gelegt (z. B. Hundekuchen, Quark, Magermilchpulver u. a.), da Hyazintharas auch in freier Wildbahn tierische Nahrung (Raupen, Schnecken etc.) mitaufnehmen." Amigo", mein erster Jungara, gedieh prächtig. Sein erster Flugversuch endete nach hundert Metern in einer über 20 m hohen Eiche auf meinem Grundstück, von der er nachts von der Feuerwehr heruntergeholt werden mußte. Er ist sehr zahm und anhänglich. Um eine kräftige Muskelausprägung zu fördern, legte ich bereits frühzeitig großen Wert auf ausreichende Klettermöglichkeiten (Zweige unterschiedlichen Durchmessers, Klettergitter). Inzwischen sind weitere Jungvögel dazugekommen, die von mir allesamt im Alter von 6 Wochen zwecks Handaufzucht entnommen wurden, da ich wiederum das anfangs geschilderte Verhalten des Männchens befürchtete. Die Bebrütungszeit währte regelmäßig genau 28 Tage. Folgende Jungvögel schlüpften bis heute (gelungene Aufzucht):l. Juli 1983 = I. Jungvogel (" Amigo")7. Dezember 1984 = 2. Jungvögel (" Bambino ")16. Mai 1985 = 3. Jungvögel (" Cleopatra")September (2.-8.) 1985 = 4. Jungvögel ("Dorothea")Inzwischen hatten die Hyazintharas die Kontrollklappe der Bruthöhle so stark zerbissen, daß diese erneuert werden mußte. Um eine nochmalige Zerstörung auszuschalten, wurde eine Klappe aus Glas, das mittels Metall eingefaßt ist, montiert. Diese durchsichtige Öffnung war von großem Vorteil, zumal Kontrollen nun leicht vorgenommen werden konnten. Die Altvögel fühlen sich in keinster Weise gestört! Abschließend soll nicht unerwähnt bleiben, daß das Verhaltnis Pfleger - Tier eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für Zuchtbemühungen darstellt. Daher beschäftige ich mich mit meinen Tieren sehr intensiv und ausgiebig, was sich bis heute außerordentlich bewährt hat!LiteraturGRAHL. W. de (I985): Papageien, Ulmer, StuttgartHOPPE. D. (I983): Aras, Enzyklopädie der Papageien und Sittiche; Bd. 10. Horst Müller-Verlag. Bomlitz.Andere Artikel über den Hyazinthara in der VogelhaltungArtikelverzeichnis Blue Macaws Home Page