Handaufzucht von zwei Hyazintharas (Anodorhynchus hyacinthinus)
von Jan Nedélnik, Brodek/CSFR Bearbeitet von F. Amberger, Kotzting
In Gefiederte Welt, Ausgabe 6/92 erschienen
Die erfolgreiche Aufzucht dieser Ara-Art gehört auch heute noch zu den großen Seltenheiten. Dieser Bericht soll anderen Haltern und Züchtern meine persönlichen Erfahrungen mit dieser Papageienart übermitteln und dazu beitragen, die geringe Informationsbasis über diese Art etwas zu erweitern. Seit 1984 pflege ich Hyazintharas in meinen Volieren. Zuerst hatte ich nur zwei Weibchen, aber im November 1988 konnte ich das spätere Zuchtpaar zusammenstellen.1988 legte das spätere Zuchtweibchen, das sich die Voliere mit dem anderen Hyazintharaweibchen teilte, dreimal zwei Eier. Ab 1989 war endlich ein richtiges Paar zusammengestellt. Aber es kam immer nur zu unbefruchteten Gelegen -1989 dreimal zwei Eier, 1990 zweimal zwei Eier. Erst im letzten Jahr war das Gelege, bestehend aus zwei Eiern, befruchtet. Später als in den vorausgegangenen Jahren legte das Weibchen erst am 24. Juli das erste und am 28. Juli das zweite Ei. War während früherer Balzzeiten das Weibchen weitaus aggressiver als das Männchen, so änderte sich das Verhalten des Männchens dieses Mal durch eine wesentlich gesteigerte Aggressivität. Sein Territorialverhalten und seine Verteidigungsbereitschaft dem Nistkasten gegenüber waren sehr viel ausgeprägter. Den ganzen Tag hielt es sich in unmittelbarer Nähe des Nistkastens auf. Der Kasten, mit den Maßen 50 x 100 cm, aus massiven Eichenbrettern mit groben, aber weichen Hobelspänen eingestreut, wurde waagerecht einen Meter über dem Boden an der Wand der Innenvoliere (6 x 1,8 x 2 m) in einer Ecke plaziert. Die Kontrolle des Geleges stellte sich immer als sehr schwieriges Unternehmen heraus. Es gelang nur, wenn das Weibchen den Kasten verließ, um sich zu entleeren. In diesem Moment mußte ich versuchen, das Paar in die Außenvoliere (1 x 1.8 x 2 m) zu drängen und ihm den Zugang nach innen zu verwehren. Bei einer Kontrolle am 9. August stellte sich heraus, daß diesmal beide Eier befruchtet waren. Selbstverständlich war meine Freude groß, denn auf diesen Augenblick wartete ich sieben Jahre lang.
Aber damit stellte sich fur mich auch schon die Frage über das weitere Vorgehen. Allen meinen Papageienzuchtpaaren wird die Aufzucht ihrer Jungtiere überlassen. Nur im Notfall werden sie zur Handaufzucht den Altvögeln weggenommen. Meine Erfahrungen mit der Handaufzucht sind sehr gering, und Araküken hatte ich vorher noch nie aufgezogen. Die Aggressivität des Hyazinthara-Paares war sehr groß. An eine Kontrolle nach dem zu erwartenden Schlupf der Jungen war von meiner Seite aus nicht mehr zu denken, um die Jungen nicht in Gefahr zu bringen. Dazu näherte sich auch noch der Herbst, und ich habe keine Möglichkeit, in meinem Vogelhaus zu heizen. Außerdem wartete ich schon seit sieben Jahren, und die Enttäuschung bei einem Fehlschlag wegen zu niedriger Temperaturen wollte ich mir ersparen.
Nachdem ich Pro und Contra gegeneinander abgewogen hatte, entschied ich mich zuletzt doch fiir eine künstliche Aufzucht. Nach Angaben in der Literatur beträgt die Inkubationszeit 28 Tage. Am 27. Tag nach dem Legen des ersten Eis, d. h. am 20. 8., habe ich es nicht mehr ausgehalten und eine Kontrolle durchgeführt, als das Weibchen, das sehr fest auf dem Gelege saß, wie jeden Tag einmal den Kasten verlassen hatte, um sich zu entleeren. Das erste Junge war gerade ausgeschlüpft, aber noch nicht gefüttert worden. Ich nahm es heraus und brachte es in dem Brutkasten, den ich vorher gefertigt hatte, unter. Das Zuchtpaar war sehr aufgeregt und schrie bis in den Abend hinein mehrmals furchtbar. Man sah, daß es das Junge suchte. Auch am nächsten Tag hielten sich die Aras außerhalb des Kastens auf und liefen nervös auf der Stange hin und her. Am darauffolgenden Tag entnahm ich auch das zweite Ei und legte es in den Brutkasten. Das Küken schlüpfte ohne Probleme vier Tage nach dem ersten am 24. August aus. Die Inkubationszeit betrug bei beiden 27 Tage.
Die Temperaturen im Brutkasten waren wie folgt:
1.-7. Tag: 34 oC
8.-21. Tag: 32 oC
22.-28. Tag: 30 oC
ab dem 28. Tag: 28 oC
Meine Frau besorgte das Füttern, dem große Sorgfalt gewidmet wurde. Vom 1. bis zum 8. Tag wurde von 5 Uhr bis 23 Uhr alle zwei Stunden und noch einmal um 2 Uhr nachts gefüttert. Vom 8. bis 14. Tag wurde alle vier Stunden, ab dem 14. Tag alle sechs Stunden Futter verabreicht. Die Jungen nahmen den Brei von einem an den Seiten nach oben gebogenen Loffel. An den ersten sieben Tagen wurde Milupa Babynahrung gereicht. Ab dem 8. Tag gab es einen Brei, zusammengemischt aus Kindergrieß, Reis, Hirse, Soja, rohem Eigelb, Möhren, Sonnenblumen, Walnüssen, Paniermehl, Milupa, Honig mit der Zugabe von Mineralien und vitaminreichen Präparaten wie Konvit, Plastin, Roboran und Calcium. Der Brei wurde immer fur drei bis vier Tage vorbereitet und im Kühlschrank gelagert. Vor dem Füttern wurde die entsprechende Menge abgenommen und auf 41 o C aufgewärmt. Zuweilen habe ich in den Brei noch vor dem Verabreichen zerbröckelte selbstgemachte Mineralwürfel gegeben. Durch die Dauer des Mixens habe ich die Grobheit des Breis geregelt - zuerst fein, nach und nach grober mit ungemixten Stückchen, damit sich der Verdauungsapparat gut entwickelte. Niemals habe ich in den Brei ein Mikrobielmittel oder Geifer (zur besseren Verdauung) zugegeben. Besondere Aufmerksamkeit schenkte ich vor jeder Fütterung der Kontrolle des Kropfes. Mindestens einmal am Tag durften vor der nächsten Mahlzeit gar keine Futterreste mehr im Kropf enthalten sein. Beide Jungen gediehen sehr gut. Sie öffneten ihre Augen am 28. Tag. Die ersten Flugelkiele waren am 32. Tag, die ersten Schwanzkiele am 36. Tag zu sehen. Am 70. Tag wurde den Aras der Brutkasten, ein umgebauter Kühlschrank, zu klein und sie zogen deshalb in eine Kinderbadewanne um, die mit Hobelspänen ausgelegt wurde. Die weitere Entwicklung sah wie folgt aus: 80. Tag: Länge 57 cm, davon der Schwanz 21 cm; 90. Tag: Länge 62 cm, davon der Schwanz 25 cm; 100. Tag: Länge 70 cm, davon der Schwanz 30 cm, Flugellänge 50 cm.Beide Jungen habe ich im Alter von 28 Tagen geschlossen beringt. Als die Jungen 110 Tage alt waren, begannen sie zu fliegen. Nun, am 21. Januar 1992, sind sie fünf Monate alt und gut entwickelt. Sie besitzen eine Körperlange von 88 cm (davon der Schwanz 46 cm). Sie sehen ihren Eltern schon fast zum Verwechseln ähnlich, nur ihre Schnabelfarbe ist etwas heller. Sehr schwierig gestaltete sich die Entwöhnung. Sie nehmen am liebsten Biskuit, Walnüsse, Äpfel, Möhren und nur sehr wenige eingeweichte Sonnenblumenkerne. Jeden Abend müssen sie noch nachgefüttert werden. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die künstliche Aufzucht der Hyazintharas sehr anspruchsvoll ist, sie dauert über fünf Monate. Ich mußte sogar meinen schon gebuchten Urlaub in Griechenland absagen. Während der gesamten fünf Monate mußte immer ein Familienmitglied zu Hause sein. In den ersten vier Wochen war es notwendig, auch in der Nacht zum Füttern aufzustehen. Deshalb möchte ich an dieser Stelle einen besonderen Dank an meine Frau aussprechen, ohne deren Hilfe und Unterstützung, insbesondere ihre Sorgfalt bei der Fütterung der Jungen, dieser Erfolg nicht möglich gewesen wäre. Der Aufwand hat sich gelohnt. Nicht nur, daß ich jetzt stolzer Besitzer zweier Hyazinthara-Jungvögel bin und es meine größte Freude ist, sie in der Voliere beobachten zu können. Ich glaube, auch mit diesem Erfolg zur weiteren Stabilisierung dieser Art in unseren Volieren meinen ersten kleinen Beitrag geleistet zu haben. Bis zum Erreichen einer gesicherten Gefangenschaftspopulation ist es sicher noch ein weiter Weg, und die Zeit drängt. In der freien Natur droht der Art das Aussterben. Die Antwort auf die Frage, ob wir sie wenigstens in unseren Volieren erhalten können, hängt vor allem vom Willen der Halter und Züchter zur gegenseitigen Information und koordinierten Kooperation ab.Andere Artikel über den Hyazinthara in der VogelhaltungArtikelverzeichnis Blue Macaws Home Page